Arbeitsminister Hubertus Heil und Christian Lindner haben heute ihr Konzept zur Zukunft der Rente in Deutschland vorgestellt. Dr. Joachim Rock erklärt die wichtigsten Punkte und wie sich der Paritätische eine gute Rente vorstellt.
Wie soll das Generationenkapital aussehen?
Nach den am 5. März vorgestellten Plänen der Bundesregierung sollen schon in diesem Jahr etwa zwölf Milliarden Euro, die die Regierung als Darlehen aufnimmt, als Generationenkapital angelegt werden. Der Betrag soll künftig um jährlich etwa drei Prozent anwachsen. Dazu sollen später noch Vermögenswerte des Bundes übertragen werden. Welche, blieb offen. So sollen bis Mitte der 2030er Jahre etwa 200 Milliarden Euro zusammenkommen, die Erträge von geschätzt zehn Milliarden Euro zur Entlastung der Rentenversicherung abwerfen sollen.
Was ist das Rentenniveau und wie hoch soll es sein?
Die Höhe des Rentenniveaus – technisch auch "Sicherungsniveau vor Steuern" genannt – zeigt an, wie sich die Standardrente zum Durchschnittseinkommen der Beschäftigten verhält. Gegenwärtig beträgt die Standardrente in Deutschland knapp die Hälfte eines durchschnittlichen Arbeitseinkommens. Die Standardrente ist aber leider eine Rente, die entgegen ihres Namens alles andere als Standard ist. Die Standardrente erhält, wer über 45 Jahre hinweg Beiträge exakt auf der Höhe des jeweiligen Durchschnittslohns gezahlt hat. 2023 beträgt die Standardrente recht genau 18.000 Euro netto vor Steuern pro Jahr. Die wenigsten Versicherten erreichen diesen Wert. Die Rente ist und bleibt das dominante Sicherungssystem in Deutschland. Damit es auch leistungsfähig bleibt, muss das Rentenniveau auf 53 Prozent angehoben werden.
Das Rentenniveau liegt derzeit bei etwa 48,2 Prozent und soll nach bisheriger Rechtslage bis 2025 nicht unter 48 Prozent sinken. Der aktuelle Rentenversicherungsbericht prognostiziert, dass das Sicherungsniveau bis 2037 auf 45 Prozent sinken kann, wenn keine Maßnahmen ergriffen werden.
Ist ein Rentenniveau von 53 Prozent finanzierbar?
Als Orientierung kann davon ausgegangen werden, dass Erhöhung des Rentenniveaus um einen Prozentpunkt dem Finanzvolumen von knapp einem halben Beitragssatzpunkt entspricht, das sind etwa acht Milliarden Euro jeweils.
Ein Rentenniveau von 53 Prozent ist nicht nur finanzierbar, es wird auch schon finanziert. Denn wer seinen Lebensstandard im Alter wenigstens annähernd sichern will, der ist schon jetzt dazu angehalten, etwa 4 Prozent des Bruttoeinkommens in private Versicherungen zu investieren, in der Regel ohne oder mit geringem Arbeitgeberanteil. Private Versicherungen sind häufig teuer und renditeschwach, sie decken in der Regel auch weniger Leistungen als die Rentenversicherung ab, zudem sind die tatsächlichen Erträge im Alter Jahrzehnte vorher nicht seriös zu kalkulieren.
Hohe Löhne, eine stärkere Erwerbstbeteiligung von Frauen, eine solidarisches Versicherung für alle, die Integration von zuwandernden Menschen und eine stärkere Finanzierungsverantwortung besonders einkommensstarker Personen sind wirkungsvolle Stellschrauben für eine soziale Alterssicherung.
Die Rente ist leistungsfähig
Die Rente leistet mehr als private Vorsorge: sie bietet Einkommensersatz im Alter, sie enthält die Hinterbliebenenversorgung und bietet auch Ansprüche auf Rehabilitation, drei Dinge auf einmal.
Die Rente wird jedes Jahr zum 1. Juli entsprechend der durchschnittlichen Lohnentwicklung angepasst und unterliegt der sogenannten nachgelagerten Besteuerung durch die Finanzämter. Die Rendite bei der gesetzlichen Rente ist beachtlich, sie liegt in den letzten Jahrzehnten bei etwa drei Prozent. Das sind Erträge, die die private Vorsorge häufig nicht erreicht. Hier bekommen Sie weitere Informationen.
Die Rente ist sicher, das Generationenkapital auch?
Das Generationenkapital soll aus Darlehen gebildet werden, die durch den Staatsfonds für die Finanzierung der Entsorgung der kerntechnischen Entwicklung (KENFO) verwaltet werden. Der deutsche Staatsfonds musste 2022 im vergangenen Jahr einen Wertverlust von rund 3,1 Milliarden Euro hinnehmen.
Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Minus von 12,2 Prozent, dem standen beträchtliche Erträge 2023 gegenüber. Klar ist: die Erträge schwanken. Auf dauerhaft hohe Erträge zu setzen, ist eine Wette mit ungewissem Ausgang. Alterssicherungsansprüche sollte man dafür nicht aufs Spiel setzen.
Was ist das schwedische Modell?
Das „schwedische Modell“ wird vielfach als Vorbild genannt. Das in den 1990er Jahren geschaffene System bietet tatsächlich einige Vorteile gegenüber dem deutschen System. In Schweden sind alle Erwerbstätigen einbezogen, auch Beamte und Rentner. Es enthält eine steuerfinanzierte Mindestsicherung und beteiligt Arbeitgeber überproportional an der Finanzierung. Die Leistungen sind insgesamt ähnlich.
Der Anteil der kapitalbasierten Vorsorge beträgt 2,5 Prozentpunkte von insgesamt 18,5 Prozentpunkten. Das zeigt: auch in Schweden ist die lohnbasierte Beitragsbemessung die dominaten Säule der Alterssicherung, und das aus guten Gründen.
Was will der Paritätische?
Der Paritätische will ein Alterssicherungssystem für alle. Rentenversicherte, privat versicherte Selbstständige und Beamte erhalten heute bei oftmals ähnlichen Tätigkeiten ganz unterschiedliche Alterssicherungsleistungen. Die Durchschnittspension lag auf Bundesebene (2021) bei etwa 3.300 Euro für Männer und etwa 2.700 Euro für Frauen, ohne dass Beamte von ihrem Gehalt Beiträge gezahlt hätten. Die Durchschnittsrente aller knapp 18,6 Millionen gesetzlichen Altersrenten lag 2023 bei 1054 Euro netto, die sehr ungleich zwischen Männern und Frauen verteilt sind. annähernd jeder fünfte ältere Mensch ist in Deutschland arm, und das in der Regel lebenslänglich. Solche sozialen Disparitäten können und dürfen nach Überzeugung des Paritätischen keine Zukunft haben.
Der Paritätische tritt ein für:
- die Schaffung eines einheitlichen Alterssicherungssystems für alle nach dem Vorbild der sozialen Bürgerversicherung
- eine Wiederanhebung des Rentenniveaus auf 53 Prozent
- eine stärkere Umverteilung in der Rentenversicherung durch eine bessere Anerkennung geringer Einkommen und relativ abnehmende Leistungsansprüche besonders einkommensstarke Versicherter. Das ist auch sozial gerecht, weil Menschen mit geringen Einkommen in der Regel eine deutlich kürzere Rentenbezugsdauer mit nur kleinen Renten haben, einkommensstarke Personen dagegen eine deutlich längere Lebenserwartung mit dazu deutlich höheren Renten haben. Diese Umverteilung von unten nach oben muss enden
- den Verzicht auf eine Anhebung des Renteneintrittsalters und abschlagsfreie Rentenzugänge für besonders belastete Personengruppen
- die Schaffung einer armutsfesten Mindestrente für langjährig versicherte Menschen
- eine deutliche Verbesserung und Erhöhung der Leistungen der Grundsicherung im Alter
- die Abschaffung der steuerlichen Förderung der Riester-Rente, von der überproportional einkommensstarke Personen profitieren, und die Investitionen dieser etwa 3 Milliarden Euro in die Verbesserung der Alterssicherung von einkommensarmen Menschen
- die Förderung der Erwerbsbeteiligung von Frauen, die bisher den größten Teil der unbezahlten Sorgearbeit leisten müssen, durch eine leistungsfähige gemeinnützige Infrastruktur