Gemeinsam mit den Referenten Marc Hasselbach & Dr. Dirk Kratz vom Therapieverbund Ludwigsmühle wagen wir einen kleinen Ausflug in das mysteriös anmutende “Darknet” und sprechen über die Gefahren, Herausforderungen und auch Chancen, die es mit sich bringt - sowohl in Bezug auf die dortige Drogenszene als auch die Gesellschaft als Ganzes.

Für viele von uns gehört die Nutzung des Internets zum Alltag und ist vollkommen selbstverständlich. Nur die wenigsten wissen überhaupt, dass irgendwo auch das vielleicht gefährlich klingende “Darknet” schlummert - ein von außen unsichtbarer und zunächst umständlich zu navigierender Bereich des Internets, der über herkömmliche Suchmaschinen gar nicht erreichbar und darauf ausgelegt ist, vollkommene Anonymität zu gewährleisten.

Die Nutzungsweise des Darknets unterscheidet sich auf den ersten Blick gar nicht so sehr vom regulären Internet (im Vergleich zum Darknet wird dies als Clearweb bezeichnet). Man öffnet den Internetbrowser und gibt eine Adresse ein, um auf die gewünschte Seite zu gelangen. Nur, dass man statt den bekannten Browsern wie Firefox, Chrome & Co. den sogenannten “Tor” Browser benötigt und es sich bei den Adressen um kryptische Buchstaben- und Zahlenkombinationen handelt. Nur wer die exakte Adresse kennt, gelangt auch zu den gewünschten Inhalten - einfach etwas in die Suchmaschiene eingeben und tausende Ergebnisse empfohlen zu bekommen, ist nicht möglich.

Dadurch weiß auch niemand genau, wie umfangreich das Darknet wirklich ist und was sich dort alles verbirgt. Berüchtigt ist es vor allem für die zwielichtigen und illegalen Inhalte, wie die “Markets” - Online Marktplätze auf denen vor allem Drogen, aber teils auch andere illegale Waren und Dienstleistungen gehandelt werden.

Dies ist allerdings nur ein Teil des riesigen Eisbergs, denn man wird wohl zu praktisch allen erdenklichen Themen Inhalte im Darknet finden.

Es ist dabei wichtig zu erwähnen, dass es erstmal nicht illegal ist, sich im Darknet zu bewegen. Marc verwendet hierbei eine Metapher, nach der die Seiten des Darknets wie unzählige dunkle Gassen zu verstehen sind, von denen man erst weiß was sich darin befindet, wenn man sie betritt. Solange man dort nichts Illegales tut oder eine Straftat begeht, darf man sich frei in ihnen bewegen und umsehen.

Bei einer der Gassen, die wir gemeinsam betreten, handelt es sich um einen der besagten Marktplätze. Dabei fällt zunächst auf: in ihrer Optik und scheinbaren Bedienung unterscheiden sich die Seiten kaum von den gängigen Marktplätzen wie Amazon oder Ebay - inklusive Bewertung mit Sternchen für die dortigen Händler, deren Substanzen und Lieferzeiten. Bezahlt wird per anonymer Kryptowährung und die Ware wird dann ganz bequem per Paketdienst nach Hause geliefert.

Auch eine Seite, die effektiv Geldwäsche für die besagten Kryptowährungen anbietet, könnte eine normale, moderne Seite einer namhaften Bank sein, die mit ihren hippen Grafiken und Animationen eine junge Zielgruppe ansprechen soll.

Neben der gewohnten Optik und Bedienung der Seiten, gibt es auch sonst keine Warnhinweise oder sonstige Hürden - alles in vertrauter Optik und für jeden Besucher sichtbar präsentiert und nutzbar.

Bedeutung für die Suchthilfe

Die Mischung aus vollkommener Offenheit der Drogenszene und der Anonymität aller Beteiligten, sorgt laut Marc auch für eine Gewisse Ohnmacht bei den therapeutischen Fachkräften, wenn sie sich zum ersten Mal mit der Szene im Darknet konfrontiert werden. Denn wo soll man hier ansetzen? Wie kann man mögliche suchterkrankte Menschen überhaupt finden und schließlich erreichen?

Zwar gibt es auch Foren für Austausch im Darknet - das größte und bekannteste davon heißt “Dread” und zählt ca. eine viertel Millionen angemeldete Nutzer - jedoch sind Beiträge zu Themen wie Mental Health oder Suchtkrankheiten kaum zu finden. Wir stoßen bei unserer Tour zumindest auf ein Unterforum für Depression und Harm Reduction mit einigen hundert Mitgliedern. Hier finden Aufklärung, Selbsthilfe und gegenseitige Unterstützung statt - wenn auch in überschaubaren und vor allem nicht medizinischen Rahmen.

Vieles dreht sich auf Dread um andere Themen sowie vor allem die Kommunikation rund um den Handel auf den Markets. Die Strukturen, Verhaltensweisen und selbst das Jargon sind zusätzlich völlig anders, als man es vielleicht aus der örtlichen Drogenszene der realen Welt kennt. Leider gibt es bisher kaum Versuche hierhin vorzudringen, da neben nötigen Personal vor allem die erforderliche Kompetenz noch nicht ausreichend vorhanden ist, um die Bedürfnisse der möglichen Klient*innen greifen und darauf eingehen zu können. Hier gibt es laut Marc Hasselbach vom Therapieverbund Ludwigsmühle viel Nachholbedarf und viele Suchtberatungsstellen und ähnliche Institutionen sehen sich teils schon mit den Fällen in der “echten Welt” überfordert.

Doch wenn man sich wirklich einarbeite und es schaffen würde, sich die nötige Anerkennung zu erarbeiten, sei auch hier möglich, Unterstützung zu leisten, so Marc. Man müsse nur neu und anders rangehen als bisher um das Angebot den Umständen anpassen. Ahnlich wie man auch einen über jahrzehntelang Suchtkranken mit krimineller Vergangenheit anders behandeln muss, als eine Abiturientin, die zum ersten Mal an Gras gerät.

Aber es gibt auch gute Gründe sich im Darknet zu bewegen, wenn man nichts illegales vorhat. Besonders für Personen, welche die vorherrschende Anonymität vorziehen oder für die sie vielleicht überlebenswichtig ist, finden hier einen sicheren Ort.

Von den Giganten Facebook, Google und Apple, bis hin zu Regierungen werden über das Internet unmengen an Daten gesammelt. Neben dem Online-Verhalten können damit teils auch die Bewegungen im echten Leben verfolgt werden. Diese Daten werden getrackt, gesammelt, verkauft und wiederum genutzt. Wie mittlerweile bekannt ist, wurden solche Daten z.B. auch für gezielte Wahlwerbung in Deutschland und den USA verwendet - in anderen Ländern müssen Personen um Ihre Sicherheit oder Ihr Leben fürchten, wenn Sie die Regierung online kritisieren nur aus Ihrer Lebensrealität dort berichten. Das Darknet wird somit durch seine anonymität zu einer notwendigen Alternative. Auch bekannte Whistleblower wie beispielsweise Edward Snowden konnten erst dadurch Ihre Erkenntnisse mit der Welt teilen.

Drogenhandel, anonyme Kommunikation, Kryptowährungen, Datensammlung und politische Verfolgung. Bereits bei unserer kurzen Tour in das Darknet fällt auf, dass dort viele hoch brisante aber eben auch gesellschaftlich relevante Themen zusammenkommen, welche vielleicht mehr Einfluss auf das echte Leben vieler Menschen haben, als man zunächst vermutet. Wie sich das Ganze weiterentwickelt ist wohl unmöglich vorherzusagen - spannend und eben auch ein bisschen mysteriös ist und bleibt es aber in jedem Fall.


Diese Veranstaltung des Paritätischen Bildungswerks Sachsen-Anhalt fand im Rahmen des Paritätischen Digital-Festivals 2022 statt.

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