Für 90% der gemeinnützigen sozialen Einrichtungen stellen die aktuellen Preissteigerungen ein existenzielles Risiko dar, so das Ergebnis einer bundesweiten Umfrage des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in seiner Mitgliedschaft. Warum sind besonders gemeinnützige Organisationen gefährdet? Der Paritätische schlägt Alarm und fordert umfassenden Schutzschirm für soziale Einrichtungen und Dienste.

Laut der Umfrage der Paritätischen Forschungsstelle fühlen sich 90 Prozent der Paritätischen Einrichtungen durch die steigenden Preise in ihrer Existenz bedroht. Werden keine umfassenden Schutzpakete geschnürt, so besteht „nichts Geringeres als die Gefahr von großflächigen Insolvenzen im Bereich der sozialen Infrastruktur“, so Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider.

Gemeinnützige Organisationen haben in der Regel keine nennenswerten Rücklagen, mit denen sie Kostensteigerungen auffangen können. Grund dafür ist die Abgabenordnung, die einen zeitnahen Mittelverbrauch vorsieht. Ausschließlich Betriebsmittelrücklagen dürfen gebildet werden, womit in der Regel für ein Jahr vor allem Personalkosten ausgeglichen werden können, wenn etwas schief geht. Schon im Oktober berichtete ein großer Teil der Paritätischen Einrichtungen von erheblichen Abschlagszahlungen, die nicht eingeplant waren.

Gemeinnützige Träger können die Kostensteigerungen außerdem nicht an ihre Klient*innen weitergeben. Wie sollte in einer Obdachlosenunterkunft, einem Frauenhaus, einem Altenclub oder einer Gesundheitsberatungsstelle ein höherer Energiepreis weitergegeben werden? Aufgrund der besonderen Schutzbedürftigkeit der von ihnen unterstützten Personen ist es Einrichtungen zudem nicht im nennenswerten Umfang möglich zu sparen. „Uns ist nicht klar, ob jetzt allen Ernstes in einem Frauenhaus, in dem Frauen mit ihren Kindern leben, die Heizung um 20 Prozent herunter gedreht werden sollen. Und es kann wirklich nicht gemeint sein, dass in einer Pflegeeinrichtung angefangen wird die Heizung herunterzudrehen und das Licht auszuschalten“, so Schneider. 

Für Investitionen in Sparmaßnahmen steht den Einrichtungen entweder kein Geld zur Verfügung oder es scheitert an der Verfügbarkeit von Handwerker*innen. 

Der Unterschied zwischen einem Privathaushalt und einer Einrichtung ist, dass dem Privathaushalt im Zweifelsfall das Gas abgedreht wird, wenn nicht bezahlt werden kann. Eine Einrichtung, die ihren laufenden Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen kann, muss Insolvenz anmelden.

 „Um eine komplexe Betrachtung des Bereichs Pflege durch diese Energiepreise kommen wir nicht herum.“

Für die Entlastung von entgeltfinanzierten Einrichtungen wie Pflegeheimen berechtigt das neue Wohngeldgesetz dazu, bei erhöhten Energiepreisen mit den Pflegekassen in Neuverhandlungen zu treten. Doch selbst, wenn das Gesetz sehr zügig auf den Weg gebracht werden sollte und solche Verhandlungen stattfinden, werden sich Ergebnisse erst im späten Frühjahr zeigen. Bis dahin wird die eine oder andere Einrichtung nicht nur gefährdet sein, sondern aufgeben müssen. Sollte es nach Verhandlungen zu höheren Entgelten und in den Einrichtungen zu höheren Preisen kommen, werden pflegebedürftige Menschen außerdem mehr Geld zahlen müssen. Den Eigenanteil von aktuell durchschnittlich 2000 Euro im Monat können viele Menschen jetzt schon kaum tragen. Weitere 400 bis 600 Euro würden mehr pflegebedürftige Menschen endgültig in die Sozialhilfe treiben. 

Hier fordert der Paritätische einen Soforthilfefonds, in dem die Kostensteigerungen sofort ausgeglichen werden können, bis Neuverhandlungen mit den Pflegekassen durchgeführt werden. Zudem braucht es eine Pflegevollversicherung, die Menschen vor der Sozialhilfe schützt. Über 30 Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner in Heimen beziehen die Hilfe zur Pflege bereits als Sozialhilfe. Schätzungen zufolge könnten es 60 Prozent werden.

Und auch die zuwendungsfinanzierten Einrichtungen wie Beratungsstellen, Frauenhäuser, Obdachlosenunterkünfte benötigen eine schnelle Anpassung der Zuschüsse der öffentlichen Hand. Hier sind Bund und Länder gefragt. Wo der Bund formal nicht helfen darf, müssen die Länder helfen - und  wo diese es nicht können, muss der Bund Kommunen und Länder unterstützen.


In der Aufnahme der Pressekonferenz des Paritätischen Gesamtverbandes zu der Umfrage in sozialen Einrichtungen zu steigenden Energiekosten, sehen Sie eine Zusammenfassung von Dr. Joachim Rock, Abteilungsleiter Arbeit, Soziales und Europa, und ein Statement von Hauptgeschäftsführer Dr. Ulrich Schneider.

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