Barrierefreiheit muss in den Prozessen der gesamten Organisation verankert werden. Unser Blogbeitrag fasst diese und weitere praktische Konsequenzen aus unserer Digitalisierungsdebatte zum Thema zusammen.

Digitalisierungsdebatte beim Digi-Dienstag am 18.2.23

In den Eckpunkten zur digitalen Teilhabe für alle fordert der Paritätische Gesamtverband gleich zu Beginn, niedrigschwellige und barrierefreie Netzzugänge für alle zu ermöglichen. Dazu möchten wir mit gutem Beispiel vorangehen und unsere eigenen digitalen Medien und Angebote, etwa Webseiten, Apps, PDFs, Online-Veranstaltungen etc. barrierefrei gestalten. Doch was müssen wir dabei beachten und wie kommen wir dorthin? Diesen Fragen widmeten wir uns in der Digitalisierungsdebatte im Februar. Professor Zimmermann gab den knapp 80 Teilnehmenden einen profunden Einblick in die entsprechenden Normen und Vorschriften und stellte vor, wie Organisationen einen erfolgreichen Barrierefreiheits-Prozess implementieren können. An dieser Stelle setzte Leona Lüdeking an und berichtete über zentrale Erkenntnisse aus ihrem Projekt “Digitale Teilhabe stärken: Pilotprojekt für barrierefreie Apps in der Selbsthilfe". Manuela Myrska und Michael Berger ergänzten die Berichte aus Betroffenen-, Simon Domberg aus Verbandsperspektive. Die sich anschließende Fragerunde beschäftigte sich mit barrierefreien Webseiten, barrierefreien Printprodukten und angstsenkenden Online-Veranstaltungen.

Nachfolgend die wichtigsten Erkenntnisse aus der Veranstaltung. Die Präsentationen und das ausführliche Protokoll finden sich in unserem Archiv zur Veranstaltung aus der Digi-Dienstags-Webseite.

Barrierefreiheit ist für alle da

Für leicht zugängliche Online-Angebote gibt es eine Menge Nutzungsszenarien: Müde Personen, ältere Personen, Menschen mit Mobilgeräten bei starker Lichtspiegelung oder in lauter Umgebung u.v.m. profitieren ebenso wie Menschen mit Beeinträchtigungen von gut strukturierten, leicht bedienbaren Webseiten mit starken Kontrasten, Beschreibungen in Leichter Sprache, untertitelten Videos, verständlichen Bildbeschreibungen anstelle von Riesengrafiken etc. Barrierefreie Online-Angebote bezeugen nicht nur Rücksichtnahme, sondern auch Professionalität.  

Barrierefreiheit als Zielvorgabe in der Freien Wohlfahrt

Barrierefreiheit ist der Freien Wohlfahrt ein ureigenes Anliegen. Die Barrierefreie Informations-Technik-Verordnung BITV 2.0 wurde auf der Grundlage des § 12d des Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) erlassen und benennt eine Reihe an Auflagen und Standards, die auch jenen Institutionen zu empfehlen sind, die nicht direkt in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen. Rund um diese Verordnung besteht inzwischen eine beträchtliche Infrastruktur an Beratungs-, Prüf- und Umsetzungsangeboten, die die Einführung von Barrierefreiheit als Organisations-Zielvorgabe erheblich erleichtern.

Achtung: Manche Organisation der Sozialen Arbeit können unter die Auflagen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes fallen, das die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen regelt. Die Auflagen treten Mitte 2025 in Kraft und können z.B. Pflege-Dienste, die digital bestellt werden, oder Organisationen mit Online-Shop betreffen.

Barrierefreiheit ist keine Aktion, sondern ein Prozess

Es gibt nicht den klar definierten Zustand der Barrierefreiheit, sondern eine Reihe von offiziellen Standards und Auflagen sowie diverse Bedarfe verschiedener Betroffenengruppen, für die sich nicht immer eindeutige Lösungen anbieten. Zielführend ist es, Barrierefreiheit nicht als “Einzelmaßnahme” zu begreifen, sondern die gesamte Organisation für deren Anforderungen zu sensibilisieren und zu qualifizieren. Barrierefreiheit als Organisationsziel muss in allen relevanten Prozessen kulturell verankert werden. Dazu muss sie Teil der Personalqualifizierung und strategischen Planung werden, von der Zielvorgabe über das Training, von der Budgetplanung bis hin zu vertraglichen Vereinbarungen.

Nachjustieren ist teurer als Mitdenken (und oft nicht sehr erfolgreich) 

Nicht-inklusives Design ist meist eine Folge mangelndem Bewusstseins und fehlender Expertise. Sind die Webseite oder das digitale Produkt erst einmal fertig aufgesetzt, wird es ungleich teurer bis hin zu unmöglich, diese nachträglich zu reparieren - Professor Zimmermann spricht von einer Bewusstseins-Umsetzungs-Falle. Lösungen wie Overlay-Tools, die den Webseitendaten bei Auslieferung automatisiert die nötigen Attribute zuweisen, sind oft nicht ausreichend und verlocken zudem dazu, die nötigen Fortschritte in der Organisationskultur aufzuschieben.

Nicht über uns ohne uns

Die Zugänglichkeits-Standards und -Normen fassen technische Bedingungen verallgemeinernd zusammen. Beim Entwickeln von Webseiten, Apps, Programmen etc. und für die verschiedenen Nutzer*innengruppen müssen aber oft konkrete, kreative Lösungen gefunden werden. Die besten Ansprechpartner*innen dafür sind Expert*innen in eigener Sache. Diese sollten bei der Anforderungsanalyse und Entwicklung stets einbezogen werden, um aus Betroffenenperspektive zu beraten.

 


Jeder dritte Dienstag ist Digi-Dienstag!

Jeden dritten Dienstag im Monat bietet #GleichImNetz geballtes Digitalisierungswissen: Markiert Euch den Tag gleich schon mal rot-blau in Euren Monatsübersichten. Einen ganzen Tag lang erwarten Euch verschiedenste Informations- und Diskussionsangebote, aus- und angerichtet nach Euren Wünschen. Bei unseren 1 - 1,5 stündigen Veranstaltungshäppchen, verteilt über den ganzen Tag, ist für jede*n was dabei.

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Autor*in

Portrait von Kay Schulze

Kay Schulze

Kay Schulze ist Projektreferent für Digitale Kommunikation beim Paritätischen Gesamtverband in Berlin.

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