Mitarbeitende des ASB Kassel-Nordhessen testen digitale Spracheingabe in der Pflegedokumentation.

Patrycia Kowalska ist Pflegehilfskraft und für den ambulanten Pflegedienst des ASB Kassel-Nordhessen tätig. Jeden Tag besucht sie ältere und kranke Menschen, die auf Pflegeleistungen angewiesen sind, in Kassel und Umgebung in ihrer häuslichen Umgebung. Sie übernimmt die Medikamentenverabreichung, Insulingabe oder hilft bei der Körperpflege. Dabei nimmt die umfangreiche Dokumentation der Pflegeleistungen und der medizinischen Informationen in der täglichen Arbeit viel Zeit in Anspruch. Oftmals bleibt dann keine Zeit mehr für das Wesentliche – den zu pflegenden Menschen. Dabei wünscht sich Patrycia wie die meisten ihrer Kolleg:innen, sich stärker auf die eigentliche Pflege und den Kontakt zu den Menschen zu konzentrieren, anstatt übermäßig viel Zeit mit Dokumentation und Verwaltungsaufgaben zu verbringen.

Ein Ansatz, um Pflegekräfte im Alltag zu entlasten und mehr Zeit für Nähe und Menschlichkeit zu schaffen, bietet die digitale Spracheingabe in der Pflegedokumentation. 30 Minuten Zeitersparnis pro Tag – das versprechen Dienstleister, die Lösungen dafür anbieten. Derzeit wird die digitale Spracheingabe in der ambulanten Pflege des ASB Kassel-Nordhessen getestet.

„voize“ heißt die App eines Brandenburger Start-ups, das seit 2020 eine digitale Lösung in der Pflegedokumentation liefert. „Als unser Opa im Pflegeheim war, haben wir gesehen, wie viel Arbeit die Pflegekräfte mit der Dokumentation haben“, sagt Geschäftsführer und Gründer Marcel Schmidberger. Sein Bruder Fabio ergänzt: „Wir arbeiten sehr eng mit Pflegekräften zusammen, um genau zu verstehen, wie wir sie entlasten können.“

Mit der App können Pflegekräfte die Dokumentation direkt vor Ort oder unterwegs im Auto einsprechen. „Wo ich vorher zwei Minuten zum Tippen gebraucht habe, benötige ich heute 20 Sekunden“, erzählt Ina Noack, Leitung des ASB-Pflegedienstes Hofgeismar in Kassel-Nordhessen.

Die Pflegekraft tippt auf den Aufzeichnen-Button in der Anwendung und spricht relevante Informationen ein. „voize“ erkennt diese, übersetzt sie in Text und pflegt sie an der richtigen Stelle im bestehenden Dokumentations-System ein. Das heißt, neben der reinen Diktierfunktion erfasst „voize“ auch kundenspezifische Daten, ordnet beispielsweise den Blutzuckerwert gleich den Vitaldaten zu. Im Rahmen der Wunddokumentation können Bilder gespeichert und so die wesentlichen Informationen festgehalten werden. Pflegekräfte müssen nicht umständlich Daten notieren. „Bei den Mitarbeitenden ist das super angekommen. Einige haben sonst Hemmungen, zu schreiben“, hebt Ina Noack hervor. Die Eingaben werden automatisiert in die Patientenakte übertragen. Damit erleichtert die App allen Kolleginnen und Kollegen die Arbeit, weil man direkt auf die Pflegemaßnahmen zugreifen kann.

© ASB/ M. Löwa

Insgesamt habe sich die Dokumentationsqualität deutlich verbessert, so die Pflegedienstleiterin. Einer neuen Mitarbeiterin sei außerdem der Einstieg beim Pflegedienst deutlich leichter gefallen als bei vorigen Arbeitgebern, ergänzt sie.

Und so hat alles angefangen. Per Online-Schulung stellte „voize“-Gründer Marcel Schmidberger die Anwendung den Pflegekräften vor. Die Nutzer:innen konnten die App mit ihren Endgeräten selbst ausprobieren und sich bei Rückfragen direkt an den Trainer wenden. „Natürlich gibt es immer Menschen, die zurückhaltend gegenüber technischen Neuerungen sind“, meint Noack. „Diese konnten im Nachgang weiter im Test-Modus Sicherheit im Umgang mit der Software gewinnen, ohne Angst, etwas falsch zu machen.“

Drei weitere Einrichtungen aus anderen ASB-Landesverbänden haben bereits ihr Interesse bekundet, „voize“ auszuprobieren. „Digitalisierung soll Mitarbeitenden im ASB mehr Zeit geben, sich auf das Wesentliche in ihrem Job zu konzentrieren“, sagt Dr. Uwe-Martin Fichtmüller, ASB-Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes. „Das Vorhaben der digitalen Spracheingabe ist ein gutes Beispiel dafür, wie wir gemeinsam Lösungsansätze für Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft schaffen können.“

Nadine Koberstein

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Dieser Beitrag erschien zuerst in unserem aktuellen Verbandsmagazin zum Thema: Pflege. 2021 waren knapp fünf Millionen Menschen in Deutschland pflegebedürftig. Angesichts einer älter werdenden Gesellschaft wird diese Zahl immer weiter zunehmen. Das stellt die gesamte Gesellschaft vor Herausforderungen. Es fehlt an Personal, an Geld und an barrierefreien Wohnungen und auch die Folgen der Corona-Krise sind immer noch spürbar.

Als Paritätischer Gesamtverband vertreten wir zahlreiche Einrichtungen, in denen jeden Tag mit Professionalität, Liebe und Aufopferung Menschen gepflegt werden. Pflege ist mehr als waschen und füttern. Es bedeutet, sich um jemanden zu kümmern, ihm oder ihr Sicherheit zu geben und ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Und manchmal auch einfach menschliche Nähe zu geben.

In diesem Magazin schauen wir auf die Vielfalt der Pflege, denn kein "Pflegefall" ist wie der andere. Dazu schauen wir, welche Alternativen es zur klassischen Heimpflege gibt, wie Senior*innen in Einrichtungen vor Hitze besser geschützt werden können und wie respektvolle Pflege stigmatisierter Menschen funktioniert. Außerdem fragen wir, wie Migrant*innen der Pflegeberuf attraktiv gemacht werden kann und wie die Digitalisierung im Pflegealltag helfen kann. Und wir sagen, warum wir als Paritätischer für die Pflegevollversicherung sind und was das ist.

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