Junge Menschen mit massiv benachteiligten Hintergründen oder mit gesundheitlichen Gründen haben es aus verschiedenen Gründen schwer, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Der Berliner Verein Caiju hilft mit einer selbst programmierten Datenbank und Software zur Prozessbegleitung.

Sich einfach gebraucht fühlen, ohne vielleicht direkt einen Arbeitsvertrag abzuschließen und sich an eine Firma zu binden. Das kann jungen Menschen, denen es im Leben bisher nicht immer gut gegangen ist, helfen. Mal einen Tag im Theater Kulissen aufbauen oder im Pflegeheim den Garten machen, öffnet für viele neue Welten. Wo früher umständlich per Aushang oder Mundpropaganda Gelegenheitsjobs vermittelt werden mussten, hilft nun die Digitalisierung bei der schnellen und vor allem passgenauen Vermittlung.

Per Traasdahl hat Caiju mitgegründet. Er kommt aus Dänemark und hat einen eher ungewöhnlichen Weg in die soziale Arbeit gefunden: Seit den Achtziger Jahren ist Traasdahl zunächst als Künstler aktiv und bereiste die Welt. “Damals konnte man noch trampen und da habe ich viele Milieus kennengelernt”, berichtet der Quereinsteiger zu seinem Interesse an seiner heutigen Arbeit. Anlässlich des Kosovokrieges wurde Per Traasdahl gefragt, ob er sich die Teilnahme an einem Kunstprojekt für geflüchtete Kinder und Jugendliche vorstellen könnte. Dies war Traasdahls Einstieg in die Schnittstelle zwischen Kunst und sozialer Arbeit: “Das war eine spannende und schwierige Zeit. Das öffnete mir mein Tor zur Social Impact.” Mit dem aktuellen Blitzjob-Projekt hingegen wurde es etwa 2007 konkreter. Da gab es die ersten Förderungen und man konnte das Projekt ernsthaft angehen. Die Nähe zu den benachteiligten Milieus ist heute noch wichtig, ebenso wie von Anfang an die enge Verknüpfung in der Nachbarschaft das Aufheben der Stigmatisierung der jungen Menschen, die profitieren sollen: “Das mag sein, dass du die Schule abgebrochen, Streit zuhause oder depressive Symptome hast. Trotzdem besitzt du Qualitäten, für die es einen Bedarf gibt”, erklärt Traasdahl. Seine Motivation: “Wir bauen alles auf dem Grundwert auf, dass alle Menschen eine Balance zwischen Geben und Nehmen brauchen.”

Blitzjobees bei der Arbeit. © Caiju e.V.

Die Oberfläche der webbasierten Blitzjob-Software sieht zunächst einmal aus wie das Tabellenprogramm Excel, ist aber sehr spezifisch. Wichtig zu wissen: Es handelt sich nicht um ein offenes Jobportal, in welchem sich die Jugendlichen selbst ihre Stelle suchen können, sondern die Software wird ausschließlich von den Betreuer*innen bedient, die für den Kontakt zu den sogenannten Blitzjobbees, für Matching und Auswertung der einzelnen Blitzjobs sowie für die Qualifizierung der Einsatzstellen zuständig sind.

In der Praxis sieht das so aus: Es gibt einen sog. Blitzjob, Tageseinsätze für die Jugendlichen. Diese können überall auftreten, wenn Firmen, Privatpersonen, gemeinnützige Träger oder öffentliche Einrichtungen in Berlin kurzfristig eine helfende Hand benötigen. Ziel ist es dabei nicht, die Jugendlichen zwischen 13 und Anfang 20 Jahren sofort in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln, betont Herr Traasdahl: “Die sollen primär ihre Jugend entdecken und sich bilden und schauen, was zu ihnen passt.” Sonst drohe eine Überforderung und Frustration. Traasdahl weiter: “Ein großes Problem ist: Du bist entweder außen vor oder du musst 39 Stunden pro Woche arbeiten.”

Das Ziel ist vielmehr, dass die Jugendlichen schauen, wo ihre Fähigkeiten und Neigungen liegen und vor allem, was ihnen Spaß macht. Sie werden auch nicht verpflichtet, jedes Angebot anzunehmen, sondern haben die Entscheidungsmöglichkeit ob sie den Blitzjob annehmen. Und natürlich werden sie für diese Arbeit auch entlohnt, was in sozialen Projekten nicht von vornherein selbstverständlich ist. Das verdiente Geld wird auch nicht auf eventuelle Sozialleistungen angerechnet. Auch wenn es keine großen Beträge sind: Die jungen Menschen können diese behalten. Das gilt sogar für Geflüchtete, die eigentlich gar nicht nicht arbeiten dürfen. Diese und weitere für das Blitzjob-Format grundsätzliche Regelungen wurden erst nach längeren Abstimmungsprozessen mit Behörden wie der Rentenversicherung und dem Finanzamt für Körperschaften möglich.

Nach jedem Blitzjob kommt eine zeitnahe Auswertung. Es wird mit der Einsatzstelle sowie mit der oder dem Blitzjobbee noch am gleichen Tag telefoniert, oft nur 4-5 Minuten. “Dieses kleine Gespräch ist Gold wert und eigentlich der Kern des Projektes”, berichtet Traasdahl. Anonymität und Datenschutz ist wichtig: “Alle die bei uns jobben, wählen sich ein Alias und sind nicht identifizierbar”

Natürlich wird diese Evaluation wieder direkt im Software festgehalten. Die Befragten geben umgehend die Eindrücke ihres Tages wieder. Was hat ihnen gefallen und was nicht und würden sie diesen Job wieder machen? Wurde ich gut angeleitet und respektvoll von meinem Arbeitgeber behandelt? Für die Mitarbeitenden bei Caiju sind die erhobenen Infos wichtig für die weitere Arbeit. Die jungen Leute fühlen sich oft aufgewertet, wenn sie von ihrem erfolgreichen Arbeitstag berichten können.

Das scheint zu funktionieren: Bereits 5500 Blitzjobs wurden vergeben. Die Abbruchquote liegt bei gerade einmal drei Prozent.


Dieser Artikel ist im Verbandsmagazin "Digitalisierung und Wohlfahrt" des Paritätischen Gesamtverbandes erschienen.

Die Digitalisierung ist längst in der Wohlfahrt angekommen. Viele unserer ganz alltäglichen Vorgänge wären gar nicht mehr vorstellbar ohne Laptop, Smartphone und Co. Klient*innen werden online beraten, wir verfügen über spezielle Software für unseren Alltag und Schichten werden nicht mehr über die Pinnwand im Gemeinschaftsraum, sondern per Excel-Tabelle verteilt.

Doch so selbstverständlich, wie wir digitale Angebote nutzen, gibt es auch immer Hürden. Auch hier gilt: Alle müssen mitgenommen werden. Der Paritätische hat mit #GleichImNetz ein eigenes Projekt, um Paritäter*innen mit Hilfe und Ratschlägen zur Seite zu stehen und auch für Neues zu begeistern. Denn Digitalisierung ist auch ein andauernder Prozess, der ständig weitergeht. Täglich erscheinen neue Tools und Möglichkeiten, die es zu entdecken und zu erlernen gilt.

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Philipp Meinert

Philipp Meinert verantwortet beim Paritätischen Gesamtverband den Bereich Presse und Redaktion. Für das Verbandsmagazin des Paritätischen Gesamtverbandes schreibt er Artikel und führt Interviews.

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