Das Team der Betroffenenberatung Niedersachsen hilft Menschen bei rechter, rassistischer oder antisemitischer Gewalt. In 2021 bekamen knapp 250 Menschen Hilfe. Sie wurden beschimpft, bedroht oder angegriffen.
Rassismus war das häufigste Tatmotiv, das zweithäufigste waren Verschwörungsideologien. Besonders erschütternd sind die Fälle, in denen Menschen schwere rassistische Gewalt erlebt haben. 2021 hat das Team in vier Tötungsversuchen konkrete Beratungsangebote gemacht.
„Es ist äußerst wichtig, Betroffene mit den Gewalterfahrungen nicht alleine zu lassen – vor allem nach solch gravierenden Taten. Sie aufzufangen und bei der Verarbeitung zu unterstützen, ist ein erster wichtiger Schritt“, sagt Constantin Schwarz, Sozialarbeiter in der Betroffenenberatung.
Ostfriesland: Rassist schießt Mann in die Brust
Einer dieser Fälle war ein Mordversuch im Landkreis Wittmund. Dort schoss ein Rassist einem Mann aus Somalia mit einem Gewehr in die Brust. Der fünffache Vater überlebte schwer verletzt und verlor einen Teil der Lunge.
Der Täter wurde verurteilt – doch der Betroffene leidet bis heute unter den Folgen. „Dieser Fall ist noch nicht abgeschlossen und wird unser Team weiterhin begleiten“, sagt Marie Kortmann, Pressesprecherin der Betroffenenberatung.
„Wir arbeiten unter Pseudonymen“
Rechte oder rassistische Gewalt kann jede Person treffen. „Vor allem Menschen, die nicht ins enge Weltbild der Rechtsextremen passen oder, die sich öffentlich gegen rechts stellen, sind gefährdet“, so Kortmann. Das betrifft auch das Beratungsteam selbst. „Ein Kollege wird von Neonazis bedroht. Um uns besser zu schützen, arbeiten wir unter Pseudonymen.“
Die Betroffenenberatung Niedersachsen gibt es unter diesem Namen seit Sommer 2020. Hinter dem Projekt stehen drei Träger: Exil e.V., Asyl e.V. und CJD Nienburg. „Dementsprechend haben wir drei regionale Büros in Osnabrück, Nienburg und Hildesheim“, erklärt Pressesprecherin Kortmann.
Beratung kostenlos und anonym
Die Sozialarbeiter*innen beraten am Telefon, per Mail oder fahren zu den Menschen nach Hause. Die Beratung ist kostenlos und anonym möglich. Das Team unterstützt die Menschen vor allem bei der Bewältigung ihrer Erlebnisse.
Wenn die Betroffenen es möchten, vermittelt die Beratungsstelle auch an Psycholog*innen, Anwält*innen oder Ärzt*innen. „In manchen Fällen empfehlen wir unseren Client*innen auch eine Auskunftssperre. Dann helfen wir bei der Antragsstellung“, so Kortmann.
„Rassistische Taten klar benennen“
Bislang muss das Team die meisten Betroffenen selbst suchen und kontaktieren. „Soweit wir wissen, weisen Polizist*innen nur vereinzelt auf unser kostenloses Angebot hin“, sagt Kortmann. Zudem werden offensichtlich rassistische Delikte in den Polizeimeldungen oft nicht als rechts, rassistisch oder antisemitisch motiviert benannt.
„Das muss sich ändern. Rassistische Taten müssen klar benannt werden“, so Kortmann weiter. „Wir wünschen uns hier eine bessere Zusammenarbeit mit den Ermittler*innen“.
Weitere Informationen
Gefördert wird die Betroffenenberatung vom Landes-Demokratiezentrum Niedersachsen aus Mitteln des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ und Landesmitteln.
www.betroffenenberatung.de
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