Vor zwei Jahren jährte sich das verheerende Unglück im Ahrtal. Marion von zur Gathen und Marta Bociek würdigen in diesem Blogbeitrag die Hilfe vor Ort durch Paritätische Mitglieder und weitere Hilfsorganisationen.
Wer kennt sie nicht, die Sehnsuchtsorte, an denen das Meer weit, die Berge hoch oder, wie im Falle des Ahrtals, die Landschaft besonders schön ist. Es sind die Orte, die für uns mit positiven Bildern und oft auch mit Erinnerungen verknüpft sind. Wie sehr so ein Bild aus den Fugen geraten kann, wurde im Juli 2021 deutlich, als ein extremer Starkregen allein im Ahrtal 134 Menschen das Leben kostete, tausende Häuser beschädigte oder zerstörte und traumatisierte Menschen zurück lies. Nichts war im Ahrtal danach wie vorher, viele Menschen in der Region haben noch heute mit den Folgen des Hochwassers zu kämpfen, sei es finanziell, physisch oder psychisch.
Den Betroffenen und den Helfer*innen vor Ort bot sich nach dem 16. Juli 2021 in den Hochwassergebieten ein verheerendes Bild. Am stärksten betroffen waren die Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. In vielen Regionen waren Häuser eingestürzt, Keller und Straßen überflutet. Vielerorts waren Mobilfunknetze oder die Stromversorgung ausgefallen. Kommunikation und Infrastruktur war in einigen Gebieten nur noch eingeschränkt vorhanden. Kindergärten und Schulen waren beschädigt. Senioren- und Altenheime sowie Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen mussten evakuiert werden. Trotz der angelaufenen Hilfsmaßnahmen gab esGebiete, die tagelang schwer zugänglich und deren Bewohner*innen noch nicht ausreichend versorgt waren. Der 16. Juli 2021 markiert damit eine Katastrophe, die sich tief ins kollektive Bewusstsein der Menschen im Ahrtal und darüber hinaus eingegraben hat. Die Ahr mit ihren zahlreichen Tälern, ihren besonderen Menschen und den vielen Helfer*innen und Hilfsorganisationen vor Ort steht aber auch für den Mut und den Willen, die Folgen der Katastrophe und deren Folgen zu überwinden.
Um die Arbeit der Helfer*innen und Organisationen vor Ort zu unterstützen, hat Aktion Deutschland Hilft – Bündnis deutscher Hilfsorganisationen noch im Juli 2023 eine Spendenaktion auf den Weg gebracht. Aktion Deutschland Hilft ist ein Bündnis von 23 deutschen Hilfsorganisationen, die im Bereich der Katastrophenhilfe und –vorsorge tätig sind. Das Bündnis wurde 2001 mit dem Ziel gegründet, bei großen Katastrophen und Notsituationen im Ausland – wie Naturkatastrophen, Hungersnöten oder gewaltsamen Konflikten – gemeinsam schnelle und effektive Hilfe leisten zu können. In Ausnahmefällen, wie z. B. im Rahmen der Hochwasserkatastrophe 2021, ist Aktion Deutschland Hilft auch im Inland tätig. Zwei Jahre nach der Hochwasserkatastrophe wollen wir mit diesem Beitrag eine weitere Bilanz ziehen.
Auch der Paritätische hat sich an der Hilfe und Unterstützung der vom Hochwasser betroffenen Menschen über seine Mitgliedsorganisationen und anderer Hilfsorganisationen im Rahmen verschiedener Maßnahmen und Projekte engagiert. Seit dem Aufruf des Katastrophenfalls 2021 hat der Paritätische Gesamtverband aus Spenden der Aktion Deutschland Hilft und aus eigenen Spendenmitteln zahlreiche Anträge für Notfall- und Investitionshilfen sowie Maßnahmen und Projekte zur sozialen Unterstützung und Beratung, Begleitung und Traumabewältigung fördern können. Gemeinsam mit seinen Landesverbänden Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Bayern sowie den freiwilligen Initiativen und lokalen Vereinen konnten über 90 Vorhaben gefördert werden.
Zusätzlich zu den oben genannten Vorhaben sind fünf der zehn Organisationen, die der Paritätische Gesamtverband bei Aktion Deutschland Hilft vertritt, in den vom Hochwasser betroffenen Gebieten tätig geworden. Einige von Ihnen setzen bis heute Projekte in den Regionen um. Sie sind u.a. in der Beratung und psychosozialen Betreuung tätig, unterstützen Schulen und Kindergärten und helfen beim Wiederaufbau.
Die Wunden, die die Flut ins Ahrtal gerissen hat, sind auch heute noch an vielen Orten sichtbar. Aber auch das, was bisher erreicht wurde ist deutlich erkennbar. Häuser und Infrastruktur sind wiederaufgebaut worden. Das Leben ist zurückgekehrt und mit ihm die Hoffnung, dass alle Schäden im Ahrtal beseitigt und die Menschen wieder mit Zuversicht in die Zukunft blicken können.
Stellvertretend für die vielen Helfer*innen und Hilfsorganisationen, die seit der Flut 2021 im Ahrtal tätig sind, wollen wir Ihnen am 2. Jahrestag der Katastrophe verschiedene Träger mit ihrer Arbeit vor Ort vorstellen.
Marion von zur Gathen ist Teamleiterin Soziallotterien beim Paritätischen Gesamtverband. Marta Bociek ist dort Referentin für Flüchtlingshilfe, Humanitäre Auslandshilfe und Internationale Kooperation.
Dachzeltnomaden
Die Dachzeltnomaden konnten in den letzten 700 Tagen Fluthilfe unglaublich vielen Betroffenen der Flutkatastrophe helfen und unterstützen Betroffene bei der Rettung ihrer Häuser oder – wenn es nicht mehr anders geht – auch beim Abriss. Mit tausenden Helfern sind sie fast täglich in die betroffenen Gebiete gefahren und haben nicht nur die Häuser der Menschen gerettet, sondern auch die Lebensfreude zurück in die Gesichter gezaubert.
“Wir haben eine Gemeinschaft und Hilfsbereitschaft erlebt, die das Ehrenamt in Deutschland neu definiert hat”, erinnert sich Geschäftsführer Dennis Brandt. “Diese grandiose Leistung hätten wir ohne die finanzielle Unterstützung von anderen gemeinnützigen Organisationen und dem Paritätischen nicht schaffen können.”
Durch die Teilförderung unseres Projektes war es uns erst möglich den Betroffenen zu helfen und die Helfer zu koordinieren und zu versorgen. Die finanziellen Mittel wurden unter anderem für Baumaterial, Fahrzeuge, Personal, Werkzeuge, den Camp Betrieb im Allgemeinen, Tankkosten für Baustellenfahrzeuge und Arbeitsschutz eingesetzt.
Verein IG Mühle für Stolberg
Bei der Unterstützung der Hochwasserbetroffenen arbeitete arche noVa in den vergangenen zwei Jahren eng mit dem Verein IG Mühle für Stolberg e.V. zusammen – eine Organisation, die sich 2021 wenige Tage nach dem Hochwasser als Spontaninitiative gegründet wurde und in den letzten zwei Jahren einen unglaublichen Beitrag in der Wiederaufbauhilfe geleistet hat. Zu Beginn engagierten sich die Vereinsmitglieder vor allem im Rahmen der Aufräumarbeiten und Versorgung der Bewohner:innen. Damit die Hilfsgüter schnell ankommen, unterstützte arche noVa mit der Finanzierung eines Lieferwagens. Darüber hinaus wurden den Helfenden Hygienekits zur Verfügung gestellt.
Bis heute ist der Verein in Stolberg aktiv und setzt sich unter anderem als Brückenbauer zwischen Hilfsorganisationen und Behörden für die Einwohner:innen der Stadt ein. Bereits vor der Hochwasserkatastrophe war ein Großteil der Menschen aus Stolberg auf Unterstützung angewiesen, mit dem 14.07.2021 hat sich ihre Situation weiter verschärft. Um sie zu unterstützen, hat IG Mühle ein Büro in Stolberg eröffnet, das durch arche noVa finanziert wird. In dieser zentralen Anlaufstelle, die als Begegnungs- und Beratungszentrum dient, können sich Betroffene Hilfe bei der Bewältigung der Hochwasserfolgen und des Alltags holen. Sprachkurse und die Verteilung von Lebensmitteln sind ebenfalls Teil des Angebots von IG Mühle.
Inmitten aller Sorgen und Hürden sorgt der Verein auch für unbeschwerte Momente – zum Beispiel durch Veranstaltungen wie Weihnachtsmarkt oder Zuckerfest und durch verschiedene Aktionen für die Kinder betroffener Familien.
Bürgerverein Odendorf
Der Infopoint ist aus der ehrenamtlichen, freiwilligen Arbeit der ersten Wochen entstanden. Am 01.04.2022 wurde er vom Ehrenamt ins Hauptamt überführt, Träger ist der Bürgerverein Odendorf e.V.
Der Infopoint hilft Betroffenen im Umkreis (darüber hinaus vermittelt er Kontakte) – Einzugsgebiet sind der Kreis Euskirchen und der Rhein-Sieg-Kreis. In den Tagen nach der Flut wurde der Infopoint Anlaufstelle für Betroffene und freiwillige Helfer aus ganz Deutschland. Schon zu diesem Zeitpunkt gab es einen engen Austausch mit den örtlichen Vereinen, Bundeswehr, Feuerwehr, THW, Bundespolizei, ansässigen Firmen (zb. Bauern und Handwerker) und der Kirche.
Im Laufe der Wochen danach wurden Kontakte zu Hilfsorganisationen, der Gemeinde, dem Kreis und dem Land NRW aufgebaut, die bis heute bestehen. Die Hauptaufgabe des Infopoints ist damals wie heute: Zuversicht für die Menschen im Flutgebiet vermitteln.
Kinderhilfswerk Global Care
Die Menschen im Ahrtal haben seit der Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 mit Zerstörung und Verlust zu kämpfen. Neben dem Wiederaufbau ist die seelische Unterstützung sehr wichtig, denn das Erlebte wird mit jedem Regenguss wieder an die Oberfläche gespült. Viele Kinder kommen nur schwer zur Ruhe und können sich schlecht konzentrieren. Eines der Hilfsprojekte, die GLOBAL CARE im Hochwassergebiet unterstützt, ist der MALzirkus in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Unter dem Leitgedanken „Malen, was man nicht aussprechen kann“ erhalten traumatisierte Kinder Unterstützung zur Verarbeitung. Treffpunkt für die Maltherapie ist ein Zirkuswagen, der ein Wohlfühlraum für die betroffenen Mädchen und Jungen ist. „Wenn ich eine Giraffe wäre“, sagte eines der Kinder – auf seinem Bild war eine Giraffe zu sehen, die mit ihrem langen Hals aus dem Wasser herausragte. „Die Kinder machen große Fortschritte“, erklärt Klaudia Skodnik von Fortuna Hilft e.V., die den MALzirkus leitet, „wir erkennen eine deutliche Verbesserung ihrer Konzentration und das Nachlassen von Ängsten und körperlichen Beschwerden“.