Das FrauenGesundheitsZentrum unterstützt seit über 40 Jahren Frauen und Paare bei allen Fragen rund um Geburt bis zu Wechseljahren. Wir sprachen mit Doris Niebergall, Mitglied des Leitungsteams, über den Umgang des Zentrums mit der Corona-Krise.

Frau Niebergall, wie viele soziale Einrichtungen mussten auch Sie auf digitale Sprechstunden umstellen. Funktioniert das gerade bei Schwangeren ohne persönlichen Kontakt?

Gute Beratung beinhaltet viele Facetten der Kommunikation: nicht nur die Worte sind wichtig, sondern auch alles, was „zwischen den Zeilen“ mitschwingt; eben auch alle nonverbalen Ausdrucksformen. Diese wahrzunehmen ist in digitalen Formaten natürlich deutlich schwieriger. Wir haben aber schnell gelernt, was funktioniert und welche Beratungstools auch im Video-Meeting funktionieren. Auch in digitalen Formaten lassen sich persönliche Kontakte herstellen. Da ist es im Grunde genommen egal, ob Sie einer Schwangeren gegenüber sitzen, ob eine junge Mutter in einem Rückbildungskurs über die schwierigen Nächte mit dem Baby erzählt oder ob ein Paar zur Ernährungsberatung kommt. Geburtsvorbereitung ist eine unserer Kernkompetenzen und Geburten lassen sich nicht ein halbes Jahr verschieben! Deshalb haben wir gleich im März 2020 überlegt, was möglich ist und sind mit digitalen Angeboten gestartet: Geburtsvorbereitung, aber auch Rückbildung-Neufindung, Ernährungs- und Schlafberatung liefen sehr schnell über digitale Formate. Uns war klar, dass es wichtiger denn je ist, die Familien in diesen sehr schwierigen Zeiten der Isolation und Angst zu begleiten, in einer Lebensphase, die ohnehin viele Fragen und Unsicherheiten mit sich bringt. Das Einrichten und Durchführen der digitalen Angebote war für uns ein Sprung ins kalte Wasser: wie würden die Online-Angebote laufen? Wir alle, die Familien, aber auch die Kursleitungen und das Leitungsteam waren überrascht, wie gut die Angebote „funktionierten“. Die Rückmeldungen waren durchweg positiv.

Hat die Umstellung reibungslos funktioniert oder gab es auch Stellen, an denen es gehakt hat?

Es hat natürlich manches gehakt: wir mussten uns mit der Tech-nik vertraut machen, die DSGVO berücksichtigen, diejenigen Teilnehmer und Teilnehmerinnen, die noch keine Video-Meetings kannten , mit ins Boot holen. Ein Video-Meeting ist ja nicht so niederschwellig wie ein offenes Elterncafé! Wie können wir Austausch und Vernetzung der Eltern über den Computer ermöglichen? Aber nach und nach konnten wir feststellen, dass diese Art des Kontakthaltens und Beratens auch Vorteile hat: Fahrtwege entfallen und Beratungen konnten zeitlich flexibler eingerichtet werden. Einzelne Beratungs- und Unterstützungsangebote waren tatsächlich viel besser besucht als zu „analogen“ Zeiten, weil die Menschen sich von zuhause aus zuschalten konnten. Außerdem haben wir sofort Beratungstelefone eingerichtet, sodass die Frauen und Familien in der Schwangerschaft oder mit kleinem Baby mit ihren Fragen zeitnahe und verlässliche Antworten bekommen haben. Und Einzel-Beratung war immer präsent möglich.

Was wird in der alltäglichen Arbeit im FamilienGesundheitsZentrum zukünftig anders sein als vor der Pandemie?

Hoffentlich werden wir ein bisschen weniger Stress haben (lacht). Im Grunde genommen wird sich nicht so viel ändern: wir werden weiterhin Frauen und Familien mit unserer Arbeit unterstützen. Das erreichen wir in den Einzelberatungen, Kursen und offenen Treffs in den verschiedenen Frankfurter Stadtteilen, in unseren Projekten für Familien mit besonderem Unterstützungsbedarf, für sehr junge Mütter und auch mit dem besonderen Angebot der Rückbildung nach Verlust eines Kindes. Ein wesentliches Element in allen unseren Angeboten ist die psychosoziale Bestärkung unserer Zielgruppen; das ist zwar auch online möglich, lässt sich aber in Präsenz-Angeboten einfach besser umsetzen. Gleichwohl ist es denkbar, dass wir nach der Pandemie weiterhin Seminare zu bestimmten Themen wie Mehrsprachig erziehen oder Beikosteinführung online anbieten werden. Was nach der Pandemie aber auf alle Fälle bleibt, ist die Freude über die große Loyalität und das Engagement der Kolleginnen und Kollegen, die zusammen mit uns diese große Herausforderung angenommen haben.


Das Verbandsmagazin "Corona-Spezial II" des Paritätischen Gesamtverbandes © Der Paritätische

Dieser Artikel ist im Verbandsmagazin "Corona-Spezial II" des Paritätischen Gesamtverbandes erschienen.

Zum zweiten und hoffentlich letzten mal widmet sich die erste Ausgabe des aktuellen Verbandsmagazins des Paritätischen der Corona-Pandemie. Stand unser erstes Heft zum Thema noch unter dem Stern der Unsicherheit, wie die Wohlfahrt mit der neuen Situation umgehen könnte, wollen wir nun verstärkt auf Erfolge und Lernprozesse blicken.

Wir ziehen ein Zwischenfazit und werfen einen besonderen Blick auf die Pflege, die noch einmal ganz besonders von COVID-19 herausgefordert wurde. Dem Gesundheitssektor widmen wir uns besonders, daher gibt es Reportagen und Berichte aus unsere Mitgliedsorganisationen Lebenshilfe, ASB, Das Boot Wismar, das Familenzentrum Radebeul und der Deutschen Rheuma-Liga. Außerdem haben wir einiges aus der Selbsthilfe, den Jugendherbergen und den Kitas erfahren sowie Behindertenrechtsaktivistin Nancy Poser interiewt.

Außerdem berichten wir unter anderen über unsere große Kampagne für die sofortige Anhebung der Regelsätze auf 600 Euro plus weiteren Leistungen,von Vielfalt ohne Alternative und zu vielen weiteren Themen aus dem Gesamtverband.

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Portrait von Philipp Meinert

Philipp Meinert

Philipp Meinert verantwortet beim Paritätischen Gesamtverband den Bereich Presse und Redaktion. Für das Verbandsmagazin des Paritätischen Gesamtverbandes schreibt er Artikel und führt Interviews.

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