Digitale Freizeitangebote, die sich für Kinder und Jugendliche mit (unterschiedlichen) Behinderungen eignen, sind rar. Der Verein Behindert - na und? hat mit seinem Projekt DigiTAL*habe Abhilfe geschaffen: Gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen wurden Online-Freizeitangebote erarbeitet, die über mehrere Monate wöchentlich angeboten wurden und ihnen mehr soziale Teilhabe ermöglichten. Sebastian Schermer, Koordinator im Verein, berichtete beim Digi-Dienstag vom Projekt und den gesammelten Erfahrungen.

Die ursprüngliche Projektidee des Vereins Behindert - na und? war eine ganz andere. Sebastian Schermer und sein Team wollten Jugendzentren im Raum Wuppertal besuchen, um ihnen zu zeigen, wie einfach Inklusion in der eigenen Einrichtung umzusetzen ist. Doch diesem Vorhaben machte die Pandemie einen Strich durch die Rechnung, denn die geplante Besuchsreihe war mit den Kontaktbeschränkungen nicht vereinbar.

Mit dem Ziel, ihren jungen Klient*innen auch während der Beschränkungen ein Freizeitangebot zu machen, setzte der Verein stattdessen ein Online-Programm für Kinder mit Beeinträchtigungen auf. Bei der Konzeption, Vorbereitung und Durchführung waren natürlich einige Dinge zu beachten, da sich in der diversen Gruppe ganz unterschiedliche Bedarfe fanden. So nahmen etwa autistische, taub-stumme sowie im Rollstuhl sitzende Kinder an den Online-Kursen teil.

Der Verein Behindert - na und? unterstützt seit 1984 behinderte oder chronisch kranke Menschen darin, trotz Einschränkungen selbstbestimmt zu leben. Er begleitet Erwachsene mit Einschränkungen darin, ihr Privat- und Berufsleben mithilfe von Assistenz, Pflege oder Freizeitangeboten aktiv, mündig und mit Freude zu gestalten. Das Angebot für Kinder und Jugendliche reicht von Beratung, Inklusionsassistenzen, über ein Förderzentrum und Frühförderung bis zu Freizeitangeboten. Zirkusprojekte, Ausflüge in die Natur, Sport- und Musikangebote sowie Reisen stehen bei den Kindern heute wie damals hoch im Kurs. Und nun also auch die Online-Angebote. Sowas gab es seit den Achtzigern noch nie!

Inklusiver Online-Spaß

Beim Planen des Angebots wurde schnell klar, dass es nicht für alle Teilnehmenden möglich sein würde, den Chat einer Videokonferenz zu bedienen. Online-Spiele oder zusätzliche Tools, die über Links im Chat geteilt werden, kamen also nicht in Frage. Auch das Programm zum Videotelefonieren sollte in seiner Bedienung möglichst niedrigschwellig sein. Hier fiel die Wahl auf die Software Zoom, welche den Ansprüchen des Vereins an Barrierefreiheit am nächsten kam. Zum Beispiel war die Chance relativ gering, dass die Teilnehmenden Probleme beim Zugang haben oder durch einen falschen Klick versehentlich das Meeting verlassen würden.

Die Kinder konnten sich Angebote in den Kategorien Kochen, Sport, Musik, Tanzen und Basteln aussuchen. Teil des Prozesses war es, die Themen zuvor mit ihnen zu diskutieren und auszusuchen. Manchen Wünschen konnte das Team von Digital*habe nicht nachkommen, da die Umsetzung zu voraussetzungsvoll oder gefährlich gewesen wäre. Im Kochkurs wurde das Mixen von Milchshakes und Säften dem Kochen mit einem Herd vorgezogen. Und anstelle einer Wasserpistole konnten sich die Kleinen im Bauen von Wasserbomben ausprobieren. Das zugehörige Material der Projekte wurde den Teilnehmenden vor Beginn des Online-Treffens per Post geliefert und dann gemeinsam in der Videokonferenz ausgepackt. 

Nicht jedes Kind konnte dem Online-Programm ganz ohne Hilfestellung eines Erwachsenen folgen. Deshalb saßen hier und da auch die Eltern mit vor dem Bildschirm, während den Anderen nur beim Einloggen in die Videokonferenz geholfen wurde. Den Familien wurde auch angeboten, eine Assistenz-Person zu sich nach Hause kommen zu lassen, was aber nicht genutzt wurde. Die Angehörigen übernahmen die Begleitung während Corona lieber selbst.

Digital unterwegs

Videokonferenzen machen müde und gerade für junge Menschen ohne Erfahrungen mit digitalen Formaten kann es herausfordernd sein, sich dauerhaft auf den Bildschirm zu konzentrieren. Schon in der Konzeption der Module wurde darauf geachtet, dass die Kinder möglichst vollständig an den Aktivitäten teilnehmen können. Wenn das Programm aber doch zu lang für sie war oder sie nicht mehr folgen konnten, durften die Teilnehmenden jederzeit abbrechen. 

Die sehr unterschiedlichen Teilnehmenden wollten möglichst gut mitgenommen werden. Mitunter kam es vor, dass die Kinder vor dem Bildschirm tanzten, auf und ab gingen, Fragen reinriefen oder sich vor der Kamera versteckten. Wenn es mal quirlig zuging, konnten die zwei Projektleiter*innen mit Bewegungsübungen, einer niedrigschwelligen gemeinsamen Aktivität, die Gruppe wieder zusammenführen. Während das gemeinsame Päckchen-Auspacken den Anfang eines Treffens markierte, endete jedes Angebot mit einem Spiel, bei dem Gegenstände erst ganz nah und Stück für Stück immer weiter entfernt vor die Kamera gehalten wurden. Das erste Kind, das den Gegenstand erriet, gewann!

Mit seinen digitalen Formaten konnte der Wuppertaler Verein auch Familien erreichen, die eine längere Anreise unter anderen Umständen nicht hätten leisten können. Schön also, dass das Projekt in die zweite Runde gehen und noch mehr Kindern ein Lächeln auf das Gesicht zaubern wird!


Jeder dritte Dienstag ist Digi-Dienstag!

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Autor*in

Portrait von Lilly Oesterreich

Lilly Oesterreich

Lilly Oesterreich ist Projektreferentin für Digitale Kommunikation beim Paritätischen Wohlfahrtsverband Gesamtverband in Berlin. Sie betreut die Paritätische Mitgliederplattform #WirSindParität.

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