Die Corona-Pandemie stellt die Wohlfahrt auf den Kopf. Unsere 10.000 Mitgliedsorganisationen müssen sich seit dem Shutdown Mitte März ganz neuen und ungeahnten Herausforderungen stellen. Täglich staunen wir im Gesamtverband, wie viele diese meistern. Anlass einmal nachzufragen: Wie geht Ihr Verband oder ihr Verein mit Corona um und was bedeutet es für die Menschen, die sie vertreten?
Blinde und sehbehinderte Menschen sind auf das Tasten und oft auch auf körperliche Berührung angewiesen. Deshalb treffen uns Kontaktbeschränkungen und Abstandsvorschriften besonders hart. Viele von uns trauen sich nicht mehr vor die Tür, um ja nichts falsch zu machen. Und Menschen, die uns helfen wollen, haben Angst, uns den Arm zu reichen. Auch für uns als Verband ist die Epidemie ein Stresstest. Veranstaltungen werden abgesagt, Vorbereitungen rückabgewickelt. Das macht keinen Spaß. Parallel läuft die Beratung unter deutlich erschwerten Bedingungen weiter, nur noch telefonisch bzw. per Mail und nun auch zu Corona. Aber es lohnt sich, die Ratsuchenden sind unglaublich dankbar und die Resonanz auf Angebote wie unseren Corona-Ratgeber ist überwältigend.
Klaus Hahn, Präsident beim Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband
Was uns in diesen schwierigen Pandemie-Zeiten zusammenhält, ist der un- bedingte Wille für die Menschen da zu sein, die von Rheuma betroffen sind. Zusammen mit unseren medizinischen Beratern informieren wir zum Beispiel regelmäßig auf www.rheuma-liga.de über rheumaspezifische Aspekte von Corona-Themen. Ein regelmäßiges Update, ein Online-Expertenforum, der Aufbau von Online-Bewegungsangeboten, regionalen Info-Hotlines und erste Selbsthilfetreffs per Videokonferenz sind dabei die Maßnahmen der Stunde. Bundesweit arbeiten die Landes- und Mitgliedsverbände der Rheuma-Liga zurzeit mit noch mehr Engagement und Kreativität daran, für die Betroffenen da zu sein. Diese Kraft und unsere über 50 Jahre währende Verbundenheit wird uns – da bin ich mir sicher – auch über diese weltweite Krise hinwegtragen.
Rotraut Schmale Grede, Präsidentin der Deutschen Rheuma-Liga
Bei uns geht es um zwei Gruppen Menschen: um die rund 2,9 Millionen Studierenden, und um die 20.000 Beschäftigten der Studenten- und Studierendenwerke. Die Studierenden versorgen wir mit aktuellen Informationen, vor allem zu hochschul-, arbeits-, sozialrechtlichen Themen und zum BAföG. Gerade Studierende, denen wegen der Corona-Pandemie die Nebenjobs wegbrechen, geraten in finanzielle Nöte; für sie setzen wir uns auf politischer Ebene für eine Öffnung des BAföG oder einen Notfonds ein. Die Studentenwerke mussten ihre ganze Hochschulgastronomie praktisch stilllegen, dafür werden ihre Beratungsangebote sehr stark nachgefragt. Wir unterstützen sie mit Informationen, Handreichungen, Muster-Aushängen – und wir setzen uns bei den Ländern dafür ein, dass die Studentenwerke von den staatlichen Rettungsschirmen profitieren.
Achim Meyer auf der Heyde, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks (DSW), des Verbands der Studenten- und Studierendenwerke
Bei uns im Kinderschutzbund fallen viele ehrenamtliche Kräfte aus, weil sie sich selbst vor Ansteckung schützen oder eigene Kinder betreuen müssen. Dennoch sind wir froh über viele Rückmeldungen von Gliederungen, die ihre Arbeit so gut es geht, aufrechterhalten. Die Eltern- und Kindertelefone haben ihr Angebot ausgeweitet, die Kinder und Jugendlichen treffen sich mit den Sozialarbeiter*innen auf Instagram zur Foto-Challenge und manches Therapie-Gespräch wird nun bei einem Waldspaziergang geführt. Das alles sind Angebote, um bestehende Kontakte nach Möglichkeit nicht zu verlieren. Sie sind selbstverständlich nicht gleichwertig zu echten Gesprächen oder regelhaften therapeutischen Angeboten. Insofern hoffen auch wir, dass diese Krise bald überstanden ist, um bald wieder in voller Stärke für die Kinder da zu sein.
Heinz Hilgers, Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes Bundesverband (DSKB)
Bei allem was wir tun hat die Gesundheit und Sicherheit unserer Freiwilligen und Mitarbeiter*innen oberste Priorität. Für unsere konkrete Arbeit bedeutet das: Wir holen unsere Freiwilligen aus dem Ausland zurück, haben Veranstaltungen, Seminare, Bildungstage für die nächsten Wochen abgesagt und arbeiten aus dem Homeoffice. Wir nutzen digitale Alternativen, sei es für Videokonferenzen oder bei der Umstellung auf Online-Seminare. Den kommenden Zyklus unserer Frei- willigendienste planen wir sorgfältig optimistisch, freuen uns über Bewerbungen, verfolgen aktuelle Entwicklungen jedoch genau. Auch wenn die Corona-Krise unsere Arbeit vor Herausforderungen stellt, verlieren wir nicht den Blick auf gesellschaftliche Verhältnisse und Menschen, die ganz akut von der Krise bedroht sind.
Katrin Bäumler, Geschäftsführerin Internationale Jugendgemeinschafts- dienste (ijgd) – Bundesverein e. V.
Es ist aktuell noch zu früh, die konkreten Auswirkungen auf den Kneipp-Bund und die über 500 Kneipp-Vereine abschätzen zu können. Um es mit Sebastian Kneipp zu sagen: „Ich will euch nur aufmerksam machen, dass ihr jeder Zeit recht vernünftig lebt.“ Das soziale Miteinander, das gerade unsere bundesweite Kneipp-Bewegung auszeichnet, muss jetzt für einige Wochen ruhen, so schwer das auch fällt. Als Deutschlands größte private Gesundheitsorganisation müssen wir unsere Werte wie Solidarität, Rücksichtnahme und Teamgeist unter Beweis stellen und damit einen wirkungsvollen Beitrag zum Meistern dieser gesellschaftlichen Krise leisten. Mit unserer Serie „Kneipp-Tipps für daheim“ geben wir aktuell Anregungen, was jeder selbst für die eigene Gesundheit tun kann.
Klaus Holetschek, Präsident Kneipp-Bund e.V.
Der Großteil unserer Ehrenamtlichen ist älter und muss sich schützen. Lebensmittelspenden sind zwischenzeitlich wegen Hamster-Käufen zurückgegangen. Gleichzeitig suchen wegen Kurzarbeit oder Jobverlust mehr Menschen Hilfe bei den Tafeln. Mit Unterstützung jüngerer Helfer*innen und Spenden organisieren viele Tafeln Lieferdienste oder die Abgabe von vorgepackten Tüten im Freien. Aber nicht überall ist das möglich. Über 350 Tafeln sind noch geschlossen. Wir sind in Sorge um Menschen, die sowieso schon wenig haben. Familien müssen ihre Kinder vollständig zuhause versorgen, ältere Menschen vereinsamen. Wir brauchen jetzt politische Unterstützung für bedürftige Menschen, aber auch für die Tafeln. Eigentlich sind wir Begegnungsorte und helfen nicht nur mit Lebensmitteln, sondern auch gegen Einsamkeit.
Jochen Brühl, Vorsitzender der Tafeln
Wie unter einem Vergrößerungsglas macht Corona überdeutlich, womit wir auch sonst zu tun haben: Epidemien rufen ein großes Informationsbedürfnis hervor. Was ist mit Sexualität? Steigert HIV das Risiko? Helfen HIV-Medikamente gegen Covid-19? Wir haben rasch ein Infoangebot geschaffen. Ob Drogenkonsument_innen, Sexar- beiter_innen oder Migrant_innen ohne Aufenthaltspapiere: In unseren marginalisierten Zielgruppen haben sich Not und Gesundheitsrisiken verschärft. Wir drängen auf Lösungen – auch für die Zeit nach Corona. Beim Datenschutz erleben wir in atemberaubendem Tempo Chancen und Risiken. Wir treten ein für Modelle, die Persönlichkeitsrechte achten. Wie arbeiten wir in unserer Organisation zusammen? Auch in dieser Frage hat uns Corona zu Höchstleistungen getrieben. Manchmal überfordert uns das. Aber wir lernen täglich dazu. Quantensprünge inklusive.
Silke Klumb, Geschäftsführerin der Deutschen Aidshilfe
Seit 75 Jahren vertritt die Volkssolidarität die Interessen der Menschen, die bereits vor der Corona-Krise benachteiligt wurden und setzt sich für eine solidarische Gesellschaft ein. Solidarität für den Schutz von Menschen ist jetzt mehr denn je gefragt. Unsere Pflegekräfte leisten en- gagiert ihre verantwortungsvolle Arbeit und pädagogische Fachkräfte unterstützen in anderen Bereichen. Unser fahrbarer Mittagstisch wurde ausgebaut. Wir haben Freiwilligen-Pools und Hilfe-Hotlines eingerichtet und organisieren eine Spendenaktion für die von Isolation betroffenen Pflegebedürftigen. Die Forderungen der Volkssolidarität nach Schutzausstattung in der Altenpflege und gegen die Isolation von Älteren zeigen Wirkung. Unser Kampf gegen Armut und soziales Auseinan- dertriften wird erheblich zunehmen.
Dr. Wolfram Friedersdorff, Präsident der Volkssolidarität
Die Mitgliedsorganisationen des bvkm kämpfen mit vielfältigen Ängsten und Sorgen. Sowohl in den Einrichtungen als auch in den Familien fehlen ausreichend Schutzmasken und -kleidung. Viele Familien im bvkm stehen vor besonderen Herausforderungen, die sich durch die Schließungen von Schulen, Werkstätten und anderen Angeboten ergeben. Die Kontaktsperren stellen für Menschen mit Behinderungen eine starke Belastung dar. Unser Verband setzt sich auch in diesen herausfordernden Zeiten für die Interessen seiner Mitglieder ein und hat ein kritisches Auge auf die aktuellen politischen Entwicklungen. Gemeinsam mit den Fachverbänden für Menschen mit Behinderungen setzt sich der bvkm für eine stärkere Beachtung der Menschen mit Behinderungen und ihrer besonderen Bedürfnisse bei allen politischen Vorhaben in dieser Krise ein. Darin werden wir auch bei allmählicher Rückkehr zur Normalität nicht nachlassen!
Helga Kiel, Vorsitzende des Bundesverbands für körper- und mehrfachbehinderte Menschen e.V.
Dieser Artikel ist im Verbandsmagazin "Queer" des Paritätischen Gesamtverbandes erschienen.
In dieser Ausgabe beschäftigen wir uns mit den Bedürfnissen queerer Menschen und queerer Arbeit beim Paritätischen. Es gibt Reportagen und Berichte über Schwule und Lesben mit Behinderung, queeres Leben im Alter und auf der Flucht und über Aufklärungsarbeit in ungewöhnlicher Form. Wir haben Interviews über Prävention, queere Bildung, die erste queere KiTa in Berlin. Wir sprachen mit Christel über das Trans-Coming Out ihres Mannes und mit Queen of Drags-Teilnehmerin Vava Vilde über ihre Arbeit als Aktivistin. Unsere Journalistin hat sich außerdem in einer traditionsreichen queeren Einrichtung in Rostock umgeschaut.
Natürlich gehen wir auch ganz aktuell auf die Auswirkungen von Corona in der Wohlfahrt ein und haben dazu einige Stimmen eingesammelt. Und das Neueste aus dem Gesamtverband gibt es auch.
1 Kommentar
Jochen Wagner schrieb 06.04.2021
Gesprächsgruppen trotz Pandemie fortführen
Da ab Mitte März 2020 Gruppentreffen behördlicherseits untersagt wurden, suchten wir nach einer für alle Beteiligten kostengünstigen Alternative, Gesprächsgruppen digital fortzuführen. Videokonferenzen mit Skype, Zoom etc. schieden als Möglichkeit aus, da die Mehrheit der überwiegend betagten Teilnehmenden die technischen Voraussetzungen bzw. das erforderliche Verständnis dafür nicht mitbringen. Bei Gottes-dienst-Telefon.de fanden wir die Möglichkeit, für 5 € monatlich einen virtuellen Konferenzraum zu mieten, in den sich jeder durch Wahl einer dauerhaften Ruf-Nr. im Ortsnetz einwählen kann. Einen PC mit Internetzugang benötigt allerdings die Gruppenleitung, der auch Namen und Ruf-Nr. jedes eingeladenen Gruppenmitglieds angezeigt wird, sofern beides zuvor in eine zugehhörige Telefonliste eingetragen wurde. Wer sich also mit einer bislang unbekannten Ruf-Nr. einwählt, kann sofort er-kannt und darum gebeten werden sich vorzustellen. Die Gruppenleitung kann dann entweder den Namen sofort nachtragen bzw. unbefugt Anrufende ausschließen. Zudem gibt es weitere Möglich-keiten, die Einwahl Unbefugter von vornherein zu verhindern.
Die Teilnehmenden von acht unserer elf fachlich geleiteten Angehörigengesprächsgruppen waren überrascht, wie problemlos sie sich weiterhin untereinander auszutauschen können, ohne Hygiene-maßnahmen, ohne Infektionsrisiko und ohne Wegezeiten mit gelegentlichen Wetterunbilden. Die gegenseitige Vertrautheit stellte sich in der telefonischen Runde ebenso ein, wie in der Präsenzgruppe.
Gleichwohl sehnten alle den Tag herbei, der wenigsten gelegentlich persönliche Begegnungen und Nähe wieder erlaubten. Dieser Tag ließ bis Ende Mai auf sich warten, als die pandemiebedingten Vorbeugemaßnahmen soweit gelockert wurden, dass kleine Gruppentreffen wegen des vertretba-rem Infektionsrisikos wieder möglich wurden, zumindest im Freien – etwa im Biergarten – bei gebo-tenem Abstand und mit Mund-Nase-Schutz. Zwar öffnen sich nach und nach Treffpunkte wieder für Gruppentreffen im Innenraum, allerdings nur unter strengen Hygienemaßnahmen, die u.a. die Teil-nehmerzahl auf etwa ein Drittel beschränken. Wir werden deshalb die Telefonkonferenzen bis auf weiteres als Standardangebot fortführen und die Präsenzgruppen quasi als Zusatzangebot. Und zwar für neue oder unregelmäßig Teilnehmende bzw. für diejenigen, denen es schwer fällt einer eigentlich vertrauten Stimme das zugehörige Gesicht zuzuordnen. Soweit es die begrenzte Teilnehmerzahl zu-lässt, sind auch Angehörige willkommen, die Telefonkonferenzen grundsätzlich ablehnend gegen-überstehen.
Den Teilnehmenden, die bislang zur Präsenzgruppe ihren Angehörigen mit einer Demenz mitgebracht haben, um ihn währenddessen in die Obhut unserer Gruppenbetreuung zu geben, bieten wir ersatzweise eine individuelle Einzelbetreuung an. Ziel ist es, der Hauptpflegeperson zu ermöglichen, mit ungeteilter Aufmerksamkeit am Telefon frei zu sprechen.
Eine ausführliche Beschreibung für die Gruppenleiter steht als PDF-Datei unter https://bit.ly/3fRyWOZ zur Verfügung. Fragen dazu an Jochen.Wagner@Alzheimer.Berlin werden zeitnah beantwortet.