Rennen, schnüffeln, finden, Belohnung kassieren - für die Hunde ist dieser Samstag Nachmittag im brandenburgischen Unterholz ein großer Spaß. Doch nicht selten ist es auch bitterer Ernst, wenn die verlorene Personen suchen müssen. Dann geht es buchstäblich um Leben und Tod. Wir waren einen Nachmittag beim Rettungshundetraining des Bundesverbandes Rettungshunde dabei.

Die Hündin Arya erfreut sich an ihrem Belohnungsspielzeug

Wie von der Tarantel gestochen flitzt Arya los. Die drahtige Magyar Vizsla-Hündin kreist durch ein Waldstück im brandenburgischen Beetz, etwa 40 Kilometer nordwestlich von den Berliner Stadtmauern. Es ist ein schon etwas herbstlicher Samstagnachmittag Ende September, an dem sich zwei Dutzend Menschen und fast genauso viele Hunde der Rettungshundestaffel Berlin hier zum Training treffen. Es ist eine Staffel von über 80 Staffeln des BRH Bundesverband Rettungshunde in Deutschland.

Arya löst die ihr gestellte Aufgabe mit Bravour. Nach kurzer Zeit wurde Aileen, die sich im Unterholz versteckt hält, aufgespürt. Die Hündin muss nun “verbellen”, wie es heißt und das tut sie auch. Fokussiert steht sie vor Aileen und bellt, bis sie zurückgepfiffen wird. Bei ihrem Frauchen wartet zur Belohnung ein buntes Spielzeug, auf welches sich die Hündin ausgelassen stürzt, bevor die nächsten Menschen im Brandenburger Unterholz gefunden werden müssen.

Wäre das hier kein Training sondern Ernstfall, würde Arya statt Aileen vielleicht eine alte demente Dame, die sich im Wald verlaufen hätte, suchen. „Man ist  dann doch überrascht, wie weit die dann noch mit ihrem Rollator laufen können,“ sagt Michael Galle, Staffelführer beim Bundesverband Rettungshunde. Der Verband wurde 1976 gegründet, die Rettungshundestaffel Berlin 1987. Michael Galle, ein hochgewachsene Mann in den Fünfzigern mit den dunkelblonden Locken, ist seit 23 Jahren dabei.

Geplant war die Laufbahn im Verband nicht, sondern begann zunächst mit der Anschaffung eines Welpens, so Galle. “Wie man das als verantwortungsbewusster Hundehalter macht, geht man mit dem zur Welpenstunde”, erzählt er später am Telefon. Dort hat es Galle aber nicht so gefallen, jedoch war in jenem Hundeverein auch ein Mitglied der Rettungsstaffel, der ihn mal zum Rettungshundetraining nahm. Eine klassische Karriere eines Rettungshundes bzw. eines Rettungshundeführers.  Die wenigsten planen direkt, aus ihrem allerersten Hund einen Rettungshund zu machen, wollen aber oft “mehr” für ihre Tiere, als ihnen “Sitz”, “Platz” und nicht ins Haus zu pinkeln beibringen. Viele bleiben auch dabei. “Die späteren Hunde werden dann oft schon so ausgesucht, dass sie als Rettungshunde eingesetzt werden können”, ergänzt Michael Galle.

Wie viele andere Ehrenamtliche hier opfert er regelmäßig seine Wochenenden für das Hundetraining. „Wenn man sich hier engagiert, muss klar sein, dass der Samstag für private Unternehmungen gestorben ist”, meint Galle. Eine Zumutung scheint das hier aber für niemanden wirklich zu sein. Etwa zwei Dutzend Personen finden sich an diesem Mittag in Beetz ein und die Stimmung ist familiär. Viele kennen sich hier seit Jahrzehnten, einige sind in die Staffel “hineingeboren”, wie der Staffelführer es ausdrückt. Normalerweise sei die Gruppe noch deutlich größer, erzählt er. Aber in Duisburg sei gerade ein Haus gesprengt worden und daher sei ein Teil der Staffel dort, um die seltene Gelegenheit zu nutzen, ihre Hunde in den Trümmern zu trainieren. Denn auch bei Gas-Explosionen sind Hunde im Einsatz und suchen nach Verschütteten.

Das Geschlechterverhältnis in der Gruppe ist nahezu ausgeglichen. Das verwundert, denn der Männeranteil ist in Rettungsdiensten in anderen Bereichen eher dominant. Warum so viele Frauen mit Rettungshunden arbeiten?  Michael Galle weiß es auch nicht. “Männer gehen vielleicht lieber zum THW”, vermutet er.

Staffelführer Michael Galle mit Hund vor seinem Einsatzwagen.

Nicht ganz ohne Stolz merkt Michael Galle an, dass sich die Rettungshundestaffel Berlin als verlässlicher Partner von Polizei und Rettungsdienst in der Region etabliert hat. Der nächste Hund, der trainieren soll, hört auf den Namen Idefix und sieht auch so aus wie der kleine Hund aus den Asterix-Comics. Er ist deutlich kleiner und kompakter und bewegt sich nicht so blitzschnell durch die Brombeersträucher wie die große Ayra. Doch er hat den gleichen Spaß an der Sache. Im Prinzip kann jeder Hund Rettungshund werden, erklärt Michael Galle “Er sollte nur nicht älter als zwei oder drei Jahre sein.” Idefix ist darüber hinaus und mutmaßlich wird er auch keinen Einsatz als Rettungshund haben. Das tut seinem Spaß am Training aber keinen Abbruch.

Idefix Frauchen Luisa ist noch nicht so lang beim Rettungshundetraining. Zuvor, so erzählt sie, hätte sie auf einem normalen Hundeplatz trainiert. Dies sei aber nicht so erfüllend gewesen und die Lernmöglichkeiten für ihren Hund waren begrenzt. Damit ähnelt ihre Geschichte dem, was Michael Galle vor einem viertel Jahrhundert erlebt hat. Auch wenn Idefix in der Praxis wohl kein Rettungshund wird, bringe das Training für beide etwas: “Mir ist es wichtig, dass mein Hund eine praktische Verwendung hat und nicht nur Platz machen kann.” Und Luisa ist besonders wegen des Gemeinschaftsgefühls hier.

Wenig Unterstützung und Trainingsmöglichkeiten

Ganz störungsfrei verläuft das Training dann auch nicht: Ein älterer Herr um die 70 hält auf dem Waldweg und fragt grußlos und ohne sich vorzustellen, ob die Trainierenden eine Genehmigung hätten. “Schönen juten Tach, Michael Galle mein Name vom Bundesverband Rettungshunde” stellt dieser sich demonstrativ freundlich, bestimmt und berlinernd vor und nennt auf Nachfrage den Namen des Försters, der das Training gestattet. Deutlich kleinlauter fährt der Herr mit seinem Auto weiter. Die etwas skurrile Situation offenbart ein Problem für das Hundetraining: Es gibt zu wenig geeignete und kostenfreie Gebiete, in und auf denen Hunde trainiert werden können. Selbst für Gebiete und Objekte in öffentlicher Hand wird teilweise ein Nutzungsentgelt erhoben.

 “Ein bisschen öffentliche Unterstützung von amtlicher Seite wäre ganz schön”, erklärt Galle auf die Frage, was denn sonst noch besser laufen könne. Er sagt es ohne Vorwurf in der Stimme, aber dennoch: Sie hätten nicht unerhebliche finanzielle Aufwendungen auf eigener Tasche zu stemmen. “Wenn da hin und wieder mal eine kleine Unterstützung oder finanzielle Hilfe für die Ausrüstung kommen würde, wäre das sicher ne tolle Sache.” Ein normaler Hund ist schon nicht billig, ein Rettungshund mit all der Ausrüstung und dem Aufwand um diesen herum, kann schnell ins Geld gehen. Sorgen, die sich Arya, Idefix und Co. in diesem Moment nicht machen müssen. Mit den Worten “Es ist wieder Käse-Samstag” packt ein Hundeführer nach absolvierter Trainingsrunde eine Frischhaltedose aus. Die Hunde schnappen freudig nach den begehrten Leckerchen. Sie haben sie sich auch hart erarbeitet. 

Dieser Beitrag erschien zuerst im Verbandsmagazin "Der Paritätische"

In der aktuellen Ausgabe 05/21 lag der Schwerpunkt auf den Themen Katastrophenschutz und Rettungswesen.

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Portrait von Philipp Meinert

Philipp Meinert

Philipp Meinert verantwortet beim Paritätischen Gesamtverband den Bereich Presse und Redaktion. Für das Verbandsmagazin des Paritätischen Gesamtverbandes schreibt er Artikel und führt Interviews.

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