Unsere Referentin Katrin Frank erklärt, warum der Paritätische ohne Gleichberechtigung nicht denkbar ist.
- Definition
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Mit Frauen sind für den Paritätischen alle Frauen und Mädchen gemeint und inkludiert, somit auch trans* Frauen und intergeschlechtliche Menschen, die in der weiblichen Geschlechtsrolle leben. Diese Definition beinhaltet zudem jegliche Akzeptanz von Lebensformen und sexueller Orientierung jenseits heteronormativer Entwürfe.
2024 habe ich in meinem Beitrag zum Weltfrauentag, der auch feministischer Kampftag genannt wird, gefragt, ob für die Wohlfahrt Antifemismus ein Thema ist und dies mit „Ja“ beantwortet. 2025 möchte ich keine Frage mehr stellen. Die vergangenen 365 Tage haben gezeigt, dass antifeministische Aussagen immer salonfähiger werden. Dies war zuletzt auch im Bundestagswahlkampf der Fall. Deutlich zeigte sich in den Debatten: Gleichstellungspolitik und persönliche Selbstbestimmung sind ein Gradmesser für Demokratie und soziale Gerechtigkeit. Allein deshalb schon muss die Wohlfahrt feministisch sein. Und sie ist es. 2024 war sie dies mehr denn je.
Wohlfahrt als feministischer Dienstleister?
Deshalb darf die Wohlfahrt auf ihren Feminismus auch stolz sein. Manch eine(r) mag fragen: Welcher Feminismus? Ganz einfach: Sie ist Träger von 275 Frauenhäusern und über 300 Frauenberatungsstellen, sie stellt Schwangerschaftsberatung sicher, sie organisiert Mütterzentren, leistet Mädchen*arbeit und unterstützt beim (Wieder-)Einstieg in den Beruf und beim Ankommen in Deutschland. Ganz zu schweigen von den vielen queeren Projekten und Organisationen, die unter ihrem Dach versammelt sind. Die Wohlfahrt ist in ihrer Vielfalt grundsätzlich ein feministischer Dienstleister.
Wohlfahrt als feministischer Ideengeber für Bundespolitik?
Wir sind auch ganz besonders mit Blick auf Gewaltschutz feministischer Ideengeber für die Bundespolitik. Die von den Wohlfahrtsverbänden 2001 gegründete Frauenhauskoordinierung hat gemeinsam mit dem Bündnis Istanbul-Konvention für eine bessere Finanzierung des Gewalthilfesystems gekämpft. Seit Jahren hat man Vorschläge erarbeitet, Positionspapiere auf den Weg gebracht und einen Rechtsanspruch eingefordert. Heraus kam in politisch höchst schwierigen Zeiten das Gewalthilfegesetz. Ein Projekt, dessen Zustandekommen kurz vor dem Ende der 20. Legislaturperiode des Deutschen Bundestags fast einem Wunder glich.
Gewalthilfegesetz als Blaupause?
Abgeordnete von CDU/CSU, der SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der Linken haben es ermöglicht. Durch ihre Zustimmung haben sie gezeigt, dass feministische Gesetze fraktionsübergreifend durchzusetzbar sind. Genauso wie die Wohlfahrt gezeigt hat, dass sie gemeinsam für dieses menschenrechtlich längst überfällige Gesetz einsteht, und zwar nicht nur im letzten Jahr, sondern seit vielen Jahren. Das war ein feministischer Paukenschlag. Politik, Wohlfahrt und die Zivilgesellschaft insgesamt haben aus der demokratischen Mitte heraus gehandelt. Hiervon brauchen wir dringend mehr.
Feministisch in toto trotz Uneinigkeit beim Paragraf 218?
Und die Sache mit dem Schwangerschaftsabbruch? Ja, es ist richtig, dass es hier unterschiedliche Auffassungen und Haltungen innerhalb der Wohlfahrt gibt. Der Paritätische fordert nachdrücklich, den § 218 StGB, der diesen weitestgehend unter Strafe stellt, aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. Und ja, die Diskussionen darum sind nach wie vor engagiert. Den Kolleg*innen, die sich nicht für eine Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs einsetzen, würde ich aber keinesfalls eine feministische Grundhaltung und ein Verständnis von Frauen- und Mädchenarbeit absprechen. Das wäre trotz der Differenz in dieser einen Sache unangebracht. Man denke nur mal an die Solidarität der katholischen Frauen mit Initiativen wie Maria 2.0. Meiner Meinung nach ist mit Blick auf die politischen Realitäten noch mehr Zusammenhalt angesagt: Die Netzwerke derer, die Feminismus jeglicher Art bekämpfen, wachsen. Auch wenn es hitzige Debatten in Sachen § 218 StGB gibt, dürfen wir uns nicht daran entzweien. Feminismus ist ein Gradmesser für Demokratie und den muss die Wohlfahrt mit ihren Einrichtungen und Organisationen in ihrer Vielfalt mitgestalten.
Gleichberechtigung als Gradmesser für Demokratie?
Warum? Es ist kein Geheimnis: Autoritären Regimen sind feministische und queere Organisationen ein besonderer Dorn im Auge. Und es gibt laut dem Gender Snapshot 2024 kein Land auf dieser Welt, das über alle relevanten Gesetze zum Verbot von Diskriminierung, zur Verhinderung von Gewalt, zur Gewährleistung gleicher Rechte in der Ehe und bei Scheidungen, zur Gewährleistung gleicher Entlohnung und zum uneingeschränkten Zugang zur sexuellen und reproduktiven Gesundheit verfügt. Laut dem Bericht sind weltweit noch immer fast 120 Millionen Mädchen von Bildung ausgeschlossen. Auch waren den Vereinten Nationen zufolge 2023 mehr als jede vierte Frau und jedes vierte Mädchen weltweit von Ernährungsunsicherheit betroffen, die Klimakrise verschärft die Situation. Deshalb ist es auch so wichtig, dass wir uns als Paritätischer, aber auch in der Wohlfahrt allgemein, für Mädchenrechte weltweit und sozial-ökologische Transformation stark machen.
Deutschland braucht 2025 eine demokratische Zivilgesellschaft – mehr denn je
Der Bundestagswahlkampf, so manches Wahlprogramm, die Sondierungen, aber auch die Sitzverteilung im Bundestag machen es deutlich: Deutschland braucht eine engagierte demokratische Zivilgesellschaft – mehr denn je. Dass diese feministisch sein muss, versteht sich nach den genannten Zusammenhängen von selbst. Hinzu kommt: Nur 204 der 630 gewählten Abgeordneten sind weiblich und das, obwohl die deutsche Bevölkerung mehrheitlich weiblich ist. Es geht daher darum, Frauenpolitik als Querschnittsthema sichtbar zu machen. Nicht die Hälfte der Bevölkerung bei wichtigen Gesetzesvorhaben zu vergessen. Sprich: Aus Sicht der Wohlfahrt geht es bei sozialer Gerechtigkeit und Gleichstellungspolitik nicht um ein Entweder-oder, sondern um ein Sowohl-als-auch. Das Gewalthilfegesetz hat uns gelehrt, dass fraktionsübergreifende Zusammenarbeit auch in politisch angespannten Zeiten klappen kann. Und das sollte es auch in der kommenden Legislatur. Denn: Selbstbestimmtes Leben darf nicht zum Spielball der Rechten werden. Ich hoffe, die Wohlfahrt wird weiter so engagiert für das selbstbestimmte Leben aller Menschen eintreten – am Frauentag und an allen anderen Tagen im Jahr.