Das Smartphone ist nicht mehr wegzudenken aus unserem Alltag. Und über 90 Prozent der 13- bis 18-Jährigen besitzen eines. Wenn man nicht mehr ohne kann und das Gerät ständig nutzen muss, vielleicht sogar bei Abstinenz unter "Nomophobie", der Angst vor der Abwesenheit seines Handys, leidet, braucht man Hilfe. Die findet man auch in Brandenburg.
Idyllisch, ja fast verträumt ganz in der Nähe des S-Bahnhofs Wildau gelegen, befindet sich die Suchtberatung Landkreis Dahme-Spreewald. Hier in unmittelbarer Nachbarschaft zur Technischen Hochschule Wildau haben wir uns mit Diplom-Psychologin Emanuela Bancila getroffen, die unter anderem für das Spektrum pathologisches Glücksspiel zuständig ist, der auch die exzessive Mediennutzung zugeordnet wird.
Ob es nun Handy-, Digital- oder Online-Sucht genannt wird, gemeint ist häufig doch etwas Ähnliches: eine stoffungebundene Sucht, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt dem Bereich der Glücksspielsucht zugeordnet wird. In einer Welt, die zunehmend auf digitalen Medien basiert, was durch den Lockdown eventuell beschleunigt wurde, da Schule, Studium, Arbeit am PC und Handy via Videokonferenzen, Chats, Apps, Foren und verschiedenen Lernplattformen stattfand, scheinen sich immer mehr Betreuungspersonen zu fragen, ob ihre Kinder unverhältnismäßig viel Zeit in der digitalen Welt verbringen.
Mit dieser, aber auch anderen Fragestellungen zum Themenkreis Sucht, ist die Suchtberatung Landkreis Dahme-Spreewald (im Folgenden LDS abgekürzt) ihr Ansprechpartner. Die vom Träger Tannenhof Berlin-Brandenburg im Auftrag der Landkreisverwaltung betriebene Suchtberatung LDS bietet an den 3 Standorten in Wildau, Lübben und Luckau sowohl vor Ort, aber auch Online kostenlos Beratungsangebote und Therapievermittlungen für Menschen mit Substanzproblemen und/oder stoffungebundenen Verhaltensproblemen, sowie die Beratung von Angehörigen und Familien an. Neben der integrierten Suchtberatung sind unter anderem auch die ambulante Nachsorge, sowie zielgruppenspezifische Suchtprävention wichtige Säulen der Suchtberatung LDS.
Am Hauptstandort in Wildau, wo früher in großen Fabrikhallen Lokomotiven gebaut wurden, befindet sich die Suchtberatung LDS und ist somit in direkter Nachbarschaft zur Technischen Hochschule Wildau angesiedelt. Emanuela Bancila, eine der dort arbeitenden Psychologinnen, ist zwar die zuständige Kontaktperson, wenn es um die Beratung und Therapie bei pathologischem Glücksspiel und/oder exzessiver Mediennutzung geht, deckt aber des Weiteren das ganze Suchtspektrum in der Beratung ab.
Im Bereich der exzessiven Mediennutzung sieht sie sich häufig mit Angehörigen konfrontiert, die den zu betreuenden Heranwachsenden eine Sucht attestieren. Denn auch wenn die Angehörigen häufig mit der Eigendiagnose „mein Kind/ Enkel ist süchtig“ zu ihr in die Beratung kämen, versuche sie zunächst einmal durch Fragen den Grund dieser Annahme herauszufinden. So erzählt sie von Fällen, in denen Unverständnis, Unsicherheit und Unwissenheit herrsche: nicht nur gegenüber den digitalen Medien als solches, sondern auch darüber, was die Heranwachsenden da eigentlich am Mobiltelefon, Tablet oder PC so machen. Das Spektrum reiche von Hausaufgaben, Chats mit Freunden, über Podcasts oder Musik hören, Inhalte auf Apps konsumieren, Spiele spielen, und sei mannigfaltig und beliebig erweiterbar. Betreuungspersonen wüssten dies aber aufgrund mangelnder Kommunikation oft nicht, würden nicht nachfragen oder stattdessen die Onlinezeit verurteilen und bestrafen. Inwieweit der Konsum jedoch das Leben der Betroffenen beeinflusse und bestimme, das gelte es in den Gesprächen mit den Angehörigen oder auch den Heranwachsenden selbst herauszufinden.
Generell herrsche eine große Hilflosigkeit, aber auch Unkenntnis der Eltern und anderen Angehörigen im Umgang mit den digitalen Medien. Wichtig sei es, die Medienkompetenz vor allem der Eltern, aber auch der Pädagog*innen zu schulen, Aufklärungsarbeit zu leisten und den Angehörigen ihre Vorbildfunktion zu vermitteln, ohne den Zeigefinger zu erheben. Dazu gehöre auch, den eigenen Konsum zu reflektieren und zu hinterfragen.
Mehr Offenheit, Selbstreflexion und Medienkompetenz heiße aber nicht, den Leidensdruck, den Angehörige sowie Suchtbetroffene verspüren, zu schmälern. Sie erzählt auch von der inneren Anspannung von Eltern, die etwa aus Scham oder Schuldgefühlen, den suchtbetroffenen Jugendlichen alles abnähmen und sich quasi selbst zum*zur Angestellten ihrer Kinder ernannt hätten. Da würde nicht nur hinterher geputzt und geräumt, auch das Glas Wasser würde an den Schreibtisch gereicht, um die so gefühlte, einzige kleine Verbindung aufrecht zu erhalten.
Sowohl bei den Angehörigen als auch bei den von exzessivem Medienkonsum betroffenen Heranwachsenden sei es wichtig, das Motto ‚Medienkompetenz bedeutet Lebenskompetenz‘ zu stärken.
Wir sind für alle da
Auch über die Glücksspiel- und Mediensucht hinaus, ist die Suchtberatung LDS Anlaufstelle sowohl für Angehörige wie auch Suchtbetroffene bei stoffgebundenen wie auch stoffungebundenen Süchten wie Alkohol, Rauchen, Psychotropen Substanzen, aber auch Sex, Medikamente, Essstörungen. Neben den bereits erwähnten Beratungen für Suchtbetroffene und Angehörige, Therapievermittlungen und der ambulanten Therapie und Nachsorge, bietet die Suchtberatung LDS verschiedene Gruppenangebote wie bspw. die Motivations- und Orientierungsgruppe unter der Leitung von Margitta Fischer oder das Bewegungstraining für adipöse Kinder unter der Leitung von Elke Mittag, sowie die Möglichkeit der Vermittlung in die Selbsthilfe an. Erweitert wird das Spektrum durch verschiedene Angebote zur Prävention, ambulant betreutes Einzelwohnen sowie der MPU Vorbereitung.
Auch wird bei der Suchtberatung LDS jährlich das SelbstKOntroLLtraining, kurz SKOLL abgehalten. Hier geht es darum, präventiv das eigene Konsumverhalten zu erkennen und darauf aufbauend den Konsum zu stabilisieren, zu reduzieren oder gar ganz zu verzichten. In 10 Treffen plus Nachtreffen kann man sich neugierig auf den eigenen Weg der Selbstreflexion begeben und in der Gruppe neue Ideen für Verhaltensalternativen entdecken und ausprobieren. Auch hier sind alle Themen willkommen: sei es der Umgang mit Alkohol, die Häufigkeit der Handynutzung, Rauchen, etc. Mein Eindruck ist, dass sich auch hier mit Freude und Leichtigkeit dem einzelnen Individuum und dessen Möglichkeiten der Selbstbestimmtheit und Weiterentwicklung gewidmet wird. Und auch allgemein herrscht eine große Offenheit, Unvoreingenommenheit und Menschenzugewandtheit in der vom Tannenhof Berlin-Brandenburg gGmbH betriebenen Suchtberatung LDS.
So entfährt es irgendwann Dipl. Psychologin Emanuela Bancila: „Wir sind für alle da. Wirklich“ und meint damit, dass das Haus allen Menschen offen steht, die sich mit sich und ihrem eigenen Konsumverhalten, aber auch das der Angehörigen auseinandersetzen möchten. Dabei ist es völlig unerheblich, ob eine Sucht diagnostiziert wurde, werden wird oder der eigene Gebrauch hinterfragt werden soll.
Mit ihrer langjährigen Expertise bietet die Suchtberatung LDS unter der Trägerschaft der Tannenhof Berlin-Brandenburg gGmbH anonyme und kompetente Hilfe für den Landkreis Dahme-Spreewald und auch weiterhin widmen sich die zehn (Teilzeit-) Mitarbeiter*innen voller Elan ihren vielfältigen und individuell auf die einzelnen Klient*innen zugeschnittenen Aufgabenstellungen.
Elke Tismar
Drogen sind Teil unserer Lebensrealität. In Maßen können sie unproblematisch sein. Die Zigarette in der Pause beispielsweise ist ungesund, aber nicht so problematisch wie eine Pfeife mit Crystal Meth. Wenn der Konsum das Leben (fremd-)bestimmt, muss Hilfe her. Hier haben Paritätische Einrichtungen eine große Auswahl an Hilfsmöglichkeiten. Um die geht es in dieser Ausgabe unseres digitalen Mitgliedermagazins.
Wir besuchen Druckräume, Technopartys und Einrichtungen der Drogenhilfe. Wir sprechen mit Rhobbin, der mit der Selbsthilfe clean geworden ist und es bleibt, und mit FitKids, die sich um die Kinder süchtiger Eltern kümmern. Einen Blick auf die Gegenwart der Cannabisdebatte werfen wir ebenso wie in die Zukunft der Suchthilfe mit DigiSucht. Der Popstar Max Mutzke gewährte uns besonders private Eindrücke in sein Leben als Kind einer alkoholkranken Mutter. Und Paritätische Einrichtungen aus der Suchthilfe stellen sich selbst vor.
Und auch zahlreiche Neuigkeiten aus dem Gesamtverband gibt es, etwa das neue Projekt "Ausgefaked!" Jetzt gleich reinblättern!