Für manche ist es der lange erwartete Höhepunkt des Jahres: Sommer, Ferien und Urlaub – am liebsten irgendwo am Strand. Für andere ist es schlicht die schmerzliche Erfahrung, dass man sich ein „normales“ Leben nicht leisten kann.

Urlaub ist für die allermeisten Menschen in diesem Land mittlerweile eine Selbstverständlichkeit. Nach der Reiseanalyse, einer umfangreichen und repräsentativen Befragung in Deutschland,  unternahmen im vergangenen Jahr 56 Millionen Menschen eine Urlaubsreise. Insgesamt wurden 68 Millionen Urlaubsreisen gemacht und dabei wurde die unglaubliche Summe von ca. 90 Milliarden Euro ausgegeben . Einmal ein paar Tage von zu Hause weg zu sein, vom Alltagsstress ein wenig Abstand gewinnen, unbeschwerte Zeit für sich und die Familie und / oder Freund*innen zu haben und wieder Energie und Kraft zu tanken – für die allermeisten Menschen in diesem Land eine Selbstverständlichkeit.

Leeres Portmonee bedeutet Urlaub daheim (Symbolbild).

Es gibt aber auch eine große Anzahl von Haushalten, denen schlicht und einfach das Geld fehlt, um sich Urlaub leisten zu können. Diese Frage wird etwa im Rahmen der europäischen Erhebung „Einkommen und Lebensbedingungen“ (EU-SILC) erhoben. Konkret wird hier gefragt, ob sich ein Haushalt einen Urlaub von einer Woche einmal im Jahr finanziell leisten kann. Gemeint ist mit Urlaub auch ein längerer Aufenthalt bei Verwandten oder Freund*innen. Deutschlandweit kann sich nach dieser Erhebung etwa jeder fünfte Haushalt keine Woche Urlaub leisten. In absoluten Zahlen sind dies mehr als 17 Millionen Menschen. Davon sind aber selbstredend nicht alle gleichermaßen betroffen. Insbesondere einkommensarme Haushalte sind es jedoch besonders: etwa der Hälfte dieser Haushalte fehlt hier das Geld für eine bescheidene Abwechslung durch Urlaub. Konkret sind dies Alleinerziehende mit ihren Kindern, kinderreiche Familien, Erwerbstätige mit geringen Löhnen, Rentner*innen mit geringem Einkommen, junge Erwachsene und Arbeitslose. Besonders dramatisch ist die Situation für die Bürgergeldbeziehenden. Ginge es nach dem Willen der Bundesregierung, so läge der Anteil bei 100 Prozent. In dem Gesetz zur Ermittlung der existenzsichernden Leistungen heißt es nämlich: Übernachtungen seien nicht „regelbedarfsrelevant, da diese Ausgaben dem Bereich 'Urlaub' zuzuordnen sind und dieser nicht als existenzsichernd anzusehen ist“. 

Soziale Teilhabe wird durch diese Politik verhindert, ja selbst das Anrecht verleugnet. Janina Lütt, selbst Armutsbetroffene, macht deutlich, dass Urlaub nicht drin ist: “ich bin froh, wenn ich genug Geld für Lebensmittel habe“. Ähnlich äußert sich Thomas Wasilewski, Bürgergeldbeziehender im Deutschlandfunk: Wer in Deutschland mit Bürgergeld lebt, „hat in der Regel ganz andere Probleme. Der möchte, dass seine Kinder satt werden und ein Dach über dem Kopf haben“. Urlaub sei „Utopie“.

Einmal im Jahr an den Strand zu fahren, sollte für alle drin sein. (Symbolbild)

Auf der anderen Seite der sozialen Ungleichheit steigen dagegen die Ansprüche: während sich 20 Prozent der Haushalte keinerlei Urlaub leisten kann, genehmigen sich genauso viele Haushalte den Luxus, viermal oder noch öfter im Jahr in Urlaub zu fahren. 

Der Paritätische Armutsbericht benennt die Maßnahmen, die für mehr soziale Teilhabe nötig sind. An erster Stelle brauchen die Menschen schlicht und einfach mehr Geld, denn: gegen Armut hilft nun einmal Geld. Zudem braucht es Maßnahmen, die das Leben erschwinglich machen. Hier gilt es v.a. gegen wachsende Wohnarmut durch steigende Mieten aktiv zu werden und auch die Kosten für die Mobilität – etwa durch ein preisgünstiges Sozialticket – zu begrenzen. Das 9 Euro-Ticket hat den massiven Bedarf nach preiswerter Mobilität – auch für die Urlaubsreise – deutlich gemacht. Und schließlich muss auch der gemeinnützige Sektor der Freien Wohlfahrtspflege finanziell und strukturell massiv gestärkt werden, der im Rahmen der Familienerholung oder der Kinder- und Jugendhilfe preiswerte, attraktive und auch pädagogisch sinnvolle Angebote für einkommensschwache Familien schafft.

Autor*in

Dr. Andreas Aust

Dr. Andreas Aust ist Referent für Sozialpolitik in der Paritätischen Forschungsstelle.

Alle Artikel

Themengebiete

Ähnliche Beiträge