Etliche Verwaltungsleistungen sollen von Bürger*innen künftig auch digital angefordert werden können. So fordert es das Onlinezugangsgesetz (OZG). Die Digitalisierungsbemühungen werden dazu führen, dass auch zahlreiche soziale Einrichtungen ihre Arbeitsweisen und technische Anbindung werden anpassen müssen.

Bei der Digitalisierungsdebatte am Digi-Dienstag im Mai haben wir mit Johannes Landstorfer, Sprecher der BAGFW-AG zum OZG, und Maximilian Weiß, Fachreferent Stabsstelle Digitalisierung beim Paritätischen Landesverband NRW, über den Stand der Umsetzung des OZGs, dessen zentraler Anlaufstelle, der Sozialplattform, sowie mögliche Knackpunkte gesprochen.

1. Die Sozialplattform soll viele Prozesse erleichtern

Die Sozialplattform soll die zentrale, bundesweite Zugangsstelle für Sozialleistungen werden. Neben der Übersicht und dem (idealerweise) direkten Zugang zu den Leistungsanträgen soll sie auch eine orts- und zeitunabhängige Beratung ermöglichen, u.a. durch einen Beratungsstellenfinder, einen Terminplaner bis hin zur direkt vermittelten Online-Beratung. Ziel ist es, die Antragstellung so einfach wie nur möglich zu gestalten, u.a. durch automatisierte Registerabfragen und Datenaustausch zwischen den Behörden. Bis dahin ist es allerdings noch ein langer Weg. 

2. Mögliche Diskriminierungen durch digitale Angeboten müssen bedacht werden

Es sollen nahezu alle Verwaltungsleistungen, die Bürgerinnen und Bürger beantragen können, digitalisiert werden. Laut OZG soll es für Personen, die nicht den digitalen Weg gehen können oder wollen, stets die Möglichkeit geben, Anträge und Beratung auch auf analogem Wege zu realisieren. Dennoch birgt die Entwicklung die Gefahr, dass fehlende digitale Teilhabe bestehende soziale Nachteile noch verschärft. So komme es jetzt schon vor, dass digitale Anträge den Analogen vorgezogen würden, weil sie leichter zu bearbeiten sind. Digitale, starr definierte Eintragsmasken und Antragsprozesse bergen zudem das Risiko, leistungsberechtigte Einzelfälle, die ihre speziellen Lebensumstände nicht über die vorgegebenen Formularfelder erläutert bekommen, zusätzlich zu benachteiligen.

3. Die Einbindung sozialer Einrichtungen ist noch nicht ausgereift

Zahlreiche Bürger*innen beantragen Leistungen nicht unmittelbar, sondern werden beraten und unterstützt von Einrichtungen der Freien Wohlfahrt. Dieses sozialrechtliche Dreiecksverhältnis ist bei der Sozialplattform und beim OZG bisher unzureichend mitbedacht, etwa, was die Beantragung mittelbarer Leistungen oder die anwaltschaftliche Antragstellung durch Dritte betrifft. 

Weiterhin ist unklar, wie eine vollständige, hochwertige und aktuelle Übersicht der Beratungsstellen gewährleistet wird. Zudem sollte vermieden werden, dass fehlende Daten als fehlende Angebote missverstanden werden.

4. Bundesweit vermittelte Beratungsangebote als neue Herausforderung

Auch die technische An- und Einbindung bestehender Beratungs-Netzwerke an die Sozialplattform ist noch nicht geklärt. Die Entwickler*innen der Sozialplattform formulieren die Ideen einer “Live-Assistenz” - es ist aber noch unklar, wer diese auf welche Weise leisten können soll. Ebenso dürfte die Vermittlung von Online-Beratungen über die Plattform bei vielen Beratungsstellen auf personelle Engpässe treffen. Wie kann hier eine Zuordnung auf freie Plätze gelingen bzw. von der Sozialplattform ggf. sogar unterstützt werden?

5. Soziale Einrichtungen sollten “OZG-ready” werden

Das OZG soll gemeinsam mit Kommunen und Leistungsträgern umgesetzt werden. Hierfür gibt es in jedem Land sogenannte Dialogforen, in denen Interessierte maximal am Prozess mitwirken können. Die Ligen auf Landesebene haben in praktisch jedem Bundesland OZG-AGen etabliert, an die sich Organisationen der Freien Wohlfahrt wenden können, etwa um ihre Praxiserfahrungen einzubringen. Beratungsstellen können sich bei der Sozialplattform als Pilot-Beratungsstelle bewerben und so die Entwicklung unterstützen. Nicht zuletzt ist es für alle betroffenen Einrichtungen ratsam, sich mit den gegenwärtigen Entwicklungen vertraut zu machen und ab Quartal 4 / 2023 digitale Anpassungs- und Schulungsmaßnahmen einzuplanen.


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