Frauen, die eine Zeit im Frauenhaus wohnen mussten, müssen danach oft ganz von vorn beginnen, auch bei der Wohnungssuche. Auf dem angespannten Wohnungsmarkt ist das eine besondere Herausforderung. In Schleswig-Holstein hilft seit 2018 das Team von Frauen_Wohnen dabei. Maria Wiederhold ist seit diesem Jahr die Koordinatorin des Projektes des Paritätischen Landesverbands und beantwortete unsere Fragen.
Frau Wiederhold, warum wurde das Projekt Frauen_Wohnen gegründet?
Das Projekt wurde 2018 gegründet, da man festgestellt hat, dass viele Frauen in einem Frauenhaus eine lange Verweildauer nach Wegfall des akuten Schutzbedarfs aufgewiesen haben. Der Grund hierfür war, dass es aufgrund des damals schon angespannten Wohnungsmarktes schwierig war, eine bezahlbare Wohnung zu finden und auszuziehen. Zeitgleich gab es zu wenig Frauenhausplätze. Frauen_Wohnen wurde mit dem Ziel konzipiert, Frauenhäuser zu entlasten und von häuslicher Gewalt betroffene Frauen und ihre Kinder dabei zu unterstützen, in eigenen Wohnraum zu ziehen.
Wie arbeitet Frauen_Wohnen?
Unser Projekt ist landesgefördert und ruht auf zwei Säulen. Die erste Säule ist der Paritätische Schleswig-Holstein als Projektträger. Wir kümmern uns darum, Kooperationsverträge mit der Wohnungswirtschaft zu schließen und im besten Fall feste Wohnungskontingente zu sichern, die wir den Frauen dann anbieten können.
Die zweite, ebenso wichtige Säule sind unsere landesweit sechs regionalen Servicestellen in eigener freier Trägerschaft. Dort arbeiten Kolleginnen, die in ihrer Region gut vernetzt sind, direkt mit den Frauen zusammen und unterstützen sie bei allen mietbezogenen Angelegenheiten. Das umfasst zum Beispiel die aktive Wohnungssuche, die Begleitung zu Besichtigungsterminen, wenn die Frau das möchte, aber auch die Hilfe bei der Sichtung und Beantragung aller notwendigen Unterlagen für die Anmietung. Ein ganz entscheidender Punkt ist: Unsere Mitarbeiterin bleibt auch nach dem Einzug für 12 Wochen eine feste Ansprechpartnerin für die Frau. Für die Vermieterinnen und Vermieter ist sie sogar unbegrenzt ansprechbar. Das gibt den Wohnungsgebern eine enorme Sicherheit und führt oft dazu, dass unsere Projektteilnehmerinnen überhaupt erst eine Chance auf dem Wohnungsmarkt bekommen.
Laut unserer Studie zum Thema „Wohnarmut“ aus dem vergangenen Jahr sind gerade alleinstehende Frauen überproportional von Wohnarmut betroffen, nämlich 40 Prozent. Warum ist Wohnen ein Geschlechterthema?
Wohnen ist deshalb ein zentrales Geschlechterthema, weil sich die strukturellen und ökonomischen Ungleichheiten unserer Gesellschaft direkt auf dem Wohnungsmarkt widerspiegeln und Frauen hier systematisch benachteiligt werden.
Das fängt bei der finanziellen Ebene an: Durch den Gender Pay Gap und die Tatsache, dass Frauen weitaus häufiger in Teilzeit oder in schlechter bezahlten Sorgeberufen arbeiten, haben sie im Schnitt ein deutlich geringeres Einkommen. Das macht es für sie von vornherein schwerer, auf einem angespannten Markt mit solventeren Bewerbern zu konkurrieren.
Diese ökonomische Realität trifft dann auf spezifische Lebenssituationen, die Frauen überproportional betreffen. Über 80 Prozent der Alleinerziehenden sind Frauen. Sie benötigen mehr Wohnraum, haben aber nur ein Einkommen und werden von Vermieter*innen oft aufgrund veralteter Rollenbilder oder finanzieller Vorbehalte diskriminiert.
Ein weiterer Aspekt ist das Thema häusliche Gewalt. Für gewaltbetroffene Frauen ist der Mangel an bezahlbarem Wohnraum die größte Hürde, um sich und ihre Kinder in Sicherheit zu bringen. Das eigene Zuhause wird zur Falle, wenn die Alternative fehlt. Zusammengenommen führt diese Mischung aus geringerem Einkommen, der Hauptverantwortung für Sorgearbeit und dem Risiko von Gewalt dazu, dass die Suche nach einem sicheren und bezahlbaren Zuhause für viele Frauen zu einem ungleichen Wettbewerb wird.
Wie erleben Sie die Politik bei diesem Thema? Bekommen Sie genug Unterstützung oder was würden Sie sich wünschen?
Wir sehen, dass der Ausbau der Frauenhausplätze in Schleswig-Holstein stetig voranschreitet. Das ist absolut notwendig und ein gutes Zeichen. Aber es löst nicht das Folgeproblem: Es fehlt überall an bezahlbarem Wohnraum. Mein größter Wunsch wäre, dass die Politik auch in diesem Bereich noch stärker tätig wird und sich mit Nachdruck dafür einsetzt, nachhaltig und langfristig bezahlbaren Wohnraum für alle zu schaffen. Denn nur so kann der Weg aus dem Frauenhaus wirklich in ein gewaltfreies Leben führen.