Das Projekt #GleichImNetz des Paritätischen Gesamtverbandes war auf der Diskussions- und Initiativkonferenz für Digitalisierung in der Zivilgesellschaft und im Sozialen Sektor - dem Digital Social Summit. In diesem Beitrag geben wir Einblicke in die besuchten Veranstaltungen.
Das Digital Social Summit hat sich inzwischen zu einer Art “Familientreffen”, Diskussions- und Initiativkonferenz für Digitalisierung in der Zivilgesellschaft, ganz besonders im Sozialen Sektor, gemausert. Da ist auch unser Team vom Paritätischen Projekt für Digitale Kommunikation #GleichImNetz natürlich mit großem Interesse dabei - um so mehr, als dass wir die große Ehre hatten, selbst eine Session anzubieten. Das Programm war nicht nur dicht, sondern noch dazu so reichhaltig, dass wir uns alle am Liebsten dreigeteilt hätten - mit einem vierten Ich, das nebenher die dringenden Aufgaben am heimischen Schreibtisch weiter bearbeitet. Stattdessen haben wir uns auf einige Highlights konzentriert und möchten in diesem Blogbeitrag einige der wichtigsten Erkenntnisse und Ergebnisse weitergeben. Herzlichen Dank an die Kolleg*innen vom DRK für ihren tollen Bericht, der uns zu diesem Beitrag den Anstoß gegeben hat.
Übrigens: Wer nun traurig ist, das DSS verpasst zu haben, hat bei unserer Paritätischen Digitalisierungs-Aktionswoche Digital-Festival - The Next Level eine weitere Chance auf Austausch und Qualifizierung. Vom 3. bis 7. Mai finden sich dort zahlreiche Veranstaltungen und Workshops, in denen Paritätische Kolleg*innen über ihre Erfahrungen und Erfolge berichten. Gleich vormerken!
Session: Digitale Teilhabe von Menschen mit Armutserfahrung
Wir haben uns sehr über die Zusage des Digital Social Summit Teams gefreut, das “Pilotprojekt zur Stärkung der digitalen Teilhabe Armutsbetroffener” des Paritätischen Gesamtverbandes vorstellen zu dürfen! Zusammen mit 80 Einrichtungen haben wir die digitale Beteiligung von Menschen mit Armutserfahrung am “Aktionskongress gegen Armut” unterstützt und begleitet. Die Digitalisierung führt an vielen Stellen unserer Gesellschaft zu einem Ausschluss von Personengruppen. Besonders von Armut betroffene Menschen können sich nicht die Hardware oder den Internetzugang leisten, um wie andere von digitalen Angeboten zu profitieren. Darüber hinaus fehlt es den Menschen an Digitalkompetenz sowie Räumen, um die Nutzung digitaler Medien zu erproben. Mit dem Pilotprojekt stellte sich heraus, dass die Zielgruppe viel Interesse und eine hohe Motivation zeigt, digitale Skills zu erlernen, wenn man sie dabei unterstützt. In den Schulungen lernten sie eigenständig den Laptop zu bedienen, mit der Tastatur zu schreiben, E-Mails zu versenden sowie an einer Videokonferenz teilzunehmen. Auf dem Aktionskongress teilten die von Armut betroffenen dann erstmals ihre Meinung in einem Online-Format und vor einem öffentlichen Publikum.
Gefreut hat mich die Teilnahme von zwei Vertretern aus der Wohnungslosenhilfe, die aktuell mit eigenen Teilhabe-Projekten beschäftigt sind. Besonders obdachlose Menschen bekommen durch digitale Zugänge eine Chance auf Information und Teilhabe an Gesellschaft. Die Relevanz dieses Themas steht außer Frage. Doch neben der schlechten Erreichbarkeit der Zielgruppe, stellen sich die Einrichtungen wohl auch der Herausforderung langfristig geeignete Räumlichkeiten für die Schulungen zur Verfügung stellen zu können.
Session: Bye-bye Zoom-Fatigue: Digitale Treffen abwechslungsreich gestalten
Zugegeben: Als Projekt, das selbst viel mit kreativen und unterhaltsamen Online-Veranstaltungsformaten experimentiert und das Paritätische Netzwerk dazu berät, war ich mir nicht sicher, ob ich hier noch so viel lernen kann. Doch es gilt die alte Handwerker-Weisheit: Wanderjahre lohnen sehr. Die Kolleg*innen von be-da unterhielten nicht nur mit einem Workshop, der mustergültig umsetzte, was er propagierte - ich habe wieder mal einige spannende Tipps und Anregungen mitnehmen können.
Die zentrale Maßnahme gegen Zoom-Fatigue bleibt natürlich, Zoom-Meetings zu vermeiden: indem das, was nicht unbedingt live besprochen werden muss, auf asynchrone Medien verlagert wird. Wo es aber ein Online-Meeting werden soll, hilft das ORA-Modell. Im Kern: Orientierung und Struktur anbieten; mit Ritualen und kleinen Spielen das Wir-Gefühl stärken; immer wieder Aktivierungsimpulse setzen, und sei es durch ein anregendes Bild oder ein ungewohntes Begleitgeräusch. Bei der Erklärung des Modells fand sich einiges zum Abgucken. Etwa der Einsatz von Soundeffekten, die so einen Vortrag unheimlich auflockern helfen. Der “Check-In” von Teilnehmenden darüber, die Frage “Wie geht es Dir gerade” mit Emojis zu beantworten. Und die coole Webseite mit den Waldspaziergängen für die Veranstaltungspause. (Kay Schulze)
Session: Mitmachen auf TikTok: neue Kommunikation, neue Experimentierräume
Hannes Jähnert berichtet, wie die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt als @ehrenstiftung, im Sommer letzten Jahres, auf TikTok gestartet ist - eine Reise in die bunte Mitmachkultur der Plattform.
Die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt dreht Clips im Edutainment Bereich (eine Mischung aus Education und Entertainment), sie thematisieren Engagement und Ehrenamt, informieren, geben Einblicke in ihre Arbeit, aber auch der Spaß kommt nicht zu kurz. In den einzelnen Videos treten neben dem Kernteam, drei Moderator*innen, auch immer wieder Kolleg*innen und Kollegen, in kleinen Rollen, auf. Es werden sogenannte “Ehrenmenschen” eingeladen, Leute, die sich engagieren. Diese stellen vor, was sie machen und warum. Zielgruppe sind vor allem junge Menschen, um die 20 Jahre.
Neben neuen Experimentierräumen, bietet TikTok viele Chancen für Erfolge. Das zentrale Element ist die sogenannte “For You Page”, die Startseite der App. Eine Kollektion von Clips, die TikTok basierend auf individuellen Interessen zusammen stellt. Denn diese Clips kommen meistens von Accounts, denen man nicht folgt, heißt man muss sich nicht erst eine große Community aufbauen um viel Aufmerksamkeit bekommen zu können. Die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt setzt in ihren Clips auf Authentizität und Augenhöhe, Wiedererkennungsmerkmale und Narrativität, die Leute bindet. Damit konnten sie schon tolle Erfolge erzielen, nicht nur was die reinen Klickzahlen der Videos angeht, auch in der kreativen Zusammenarbeit im Team hat sich viel getan.
Hannes Jähnert gibt ein klares Statement ab: raus aus der Komfortzone und TikTok erobern, denn noch nicht viele Nonprofit Organisationen sind dort vertreten und jetzt können wir als Vorreiter dabei sein. (Lena Plaut)
Panel „Digitalisierung – eine Gemeinschaftsaufgabe“
Der digitale Wandel schreitet in Sieben-Meilen-Stiefeln voran. In vielen Bereichen halten Politik und Gesellschaft kaum mit und betreiben Nachsorge. Wie lässt sich Digitalisierung besser gestalten, und zwar schon während der laufenden Entwicklung und im Sinne des Gemeinwohls? In diesem Panel wurde ein “trisektoraler Ansatz” beworben, eine Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft. Dabei ließ mich der Abschluss-Appell “die Zeit des Gegeneinanders ist vorbei” besonders aufhorchen.
Meine Gedanken dazu: Fraglos braucht es dringend mehr Gestaltung des digitalen Wandels nach gemeinschaftlichen Werten, und das kann nur durch Einbindung und Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft verwirklicht werden. Es wird aber immer wieder klare Interessengegensätze zwischen profitorientierten und Gemeinwohl-Akteuren geben. Hier gilt es, sich nicht von dem zuweilen überschwänglichen Digitalisierungs-Hype anstecken zu lassen, sondern besonnen und mit Nachdruck Gemeinwohl-Forderungen einzubringen und -Grenzen zu markieren - notfalls auch gegen Gewinninteressen. (Kay Schulze)
Session: Wie der digitale Austausch nicht zur Eintagsfliege wird
Die ehrenamtlichen Macher*innen von #ImpulseStiften gaben in dieser Session Einblicke in die Umsetzung eines Webtalks für die Stiftungswelt, den sie spontan am Anfang der Pandemie ins Leben gerufen haben. Alle 14 Tage greifen sie für 60 Minuten Trends auf, stoßen Debatten an und vermitteln Handwerkszeug für Stifter*innen. Mittlerweile haben mehr als 45 Online-Veranstaltungen stattgefunden, an denen bis zu 100 Stiftungsmitarbeiter:innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz teilnahmen – aus der Praxis für die Praxis. Als Gelingensfaktoren benennen die Macher*innen die niedrigschwellige und kurzfristige Teilnahmeoption - ohne Anmeldung und Beteiligungszwang. Zudem ist das Format sehr kurzweilig und die Teilnahme am Dienstagmorgen von 9 - 10 Uhr scheint für viele gut realisierbar zu sein. Der Webtalk beginnt immer mit einem kurzen, thematischen Impuls eines Referierenden aus dem Stiftungsbereich und schließt mit einem Austausch in der Gruppe ab. Bewusst möchte das Format Themen anreißen und Denkanstöße mitgeben. In den Sessions werden aktuell relevante Themen (z.B.: “Gutes Geld, böses Geld: Wie gehen Stiftungen und Non-Profits mit "belasteten" Zuwendungen um?”) aufgegriffen sowie von Erfahrungen (z.B.: “Wie Kooperationen gelingen”), Herausforderungen aber auch Fehlern (z.B.: “Pleiten, Pech und Pizza: Fehler im Stiftungsalltag”) im Stiftungswesen berichtet. (Lilly Oesterreich)
Workshop kommunikative digitale Barrierefreiheit
Die zentrale Botschaft der drei Referent*innen vom Institut für digitale Teilhabe der Hochschule Bremen lautete: Inklusion braucht Partizipation. Die Anforderungen an Zugänglichkeit, etwa einer Online-Zusammenarbeit, können sehr unterschiedlich ausfallen. Daher sollten inklusive Projekte stets von Beginn an mit den beteiligten Menschen mit Behinderungen zusammen geplant werden, die über technische Lösungswege und organisatorische Anforderungen in der Regel viel besser Bescheid wissen. Freilich deckten unsere Gruppenarbeiten im Workshop auf, das partizipative Prozesse auch nicht immer leicht zu organisieren sind. So kam in der Abschlussrunde der Wunsch auf nach einer Art Checkliste, die aufzeigt, was bei Online-Veranstaltungen bzgl. verschiedener Arten von Beeinträchtigungen beachtet werden sollte. Eine Steilvorlage für uns vom Projekt #GleichImNetz, die wir in den kommenden Monaten zusammen mit Kolleg*innen von einschlägigen Mitgliedsorganisationen genau solch eine Liste erarbeiten möchten. (Kay Schulze)