Am 29. Juli haben wir alle nachhaltig nutzbaren Ressourcen für das gesamte Jahr verbraucht. Konsequenter Klimaschutz darf nicht mehr lange auf sich warten lassen. Auch der Sozial- und Gesundheitsbereich ist jetzt gefragt.

Letzte Woche war es wieder soweit: Am 29. Juli hat die Menschheit die Ressourcen verbraucht, die ihr bei nachhaltiger Nutzung für das gesamte Jahr zur Verfügung gestanden hätten. Berechnet wird der sogenannte Erdüberlastungstag (englisch: Earth Overshoot Day) vom Global Footprint Network. Gegenwärtig verbraucht die Menschheit 74 Prozent mehr als die Ökosysteme des Planeten regenerieren können – oder rund 1,7 Erden.

Im vergangenen Jahr sah es etwas besser aus. Durch die Pandemie und dem damit verbundenen Lockdown hatte sich der Erdüberlastungstag auf den 22. August nach hinten verschoben. Jetzt erleben wir laut der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch den befürchteten Rebound-Effekt, das sprunghafte Wiederansteigen der Emissionen nach dem Höhepunkt der Pandemie.

Vom 1. Januar bis zum 29. Juli hat die Menschheit so viel von der Natur verbraucht, wie die Ökosysteme der Erde im ganzen Jahr erneuern können. Ab dem 29. Juli beanspruchen wir für das restliche Jahr mehr Acker- und Weideland, Fischgründe und Wald, als uns rechnerisch zur Verfügung stehen. Und wir stoßen weit mehr CO2-Emissionen aus, als die Wälder und Ozeane der Welt aufnehmen können.

Deutschland braucht 2,9 Erden

Der ökologische Fußabdruck Deutschlands liegt mit 2,9 Erden im globalen Vergleich im oberen Viertel aller Länder. In Deutschland tragen vor allem die hohen CO2-Emissionen in den Bereichen Strom, Verkehr und industrielle Landwirtschaft und der große Flächenbedarf zur Überlastung der Erde bei.

Der Energieverbrauch pro Kopf ist in Deutschland höher als im EU-Durchschnitt. Es gibt einen deutlichen Anstieg der Emissionen im Straßenverkehr (seit 1995 um 5,1%) und im internationalen Luftverkehr (von 1990 bis 2018 um fast 150%). Auch die industrielle Landwirtschaft trägt massiv zur Erderwärmung bei. Mit 60,4 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten war die Landwirtschaft in Deutschland 2020 für 8,2 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Und die versiegelte Fläche in Deutschland wächst – von 1992 bis 2018 hat die Bodenversiegelung um 4.622 km² zugenommen. Das verursacht Konflikte mit anderen Flächennutzungsansprüchen, schadet den Böden und begünstigt Hochwasser.

Deutschland hat sich zu einem weitreichenden Klimaschutz verpflichtet. Um 55% soll der CO2-Ausstoß bis 2030 gesenkt werden, bis 2050 sollen 95% eingespart werden. In Deutschland herrscht laut einer Studie des Umweltbundesamtes grundsätzlich die Erkenntnis vor, dass menschliches Handeln als Ursache für den Klimawandel auszumachen ist und es überwiegt deutlich die Bereitschaft, Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen. Doch bei der konkreten Umsetzung bedarf es Unterstützung. Hier ist die Politik gefragt, sowohl auf EU- als auch auf Bundesebene, die Rahmenbedingungen für Veränderung zu schaffen.

Klimaschutz in der Sozialen Arbeit stärken

Aber auch die Wohlfahrt ist gefordert, ihren Beitrag zu leisten. Der Paritätische, als Dachverband von derzeit 10.779 eigenständigen Organisationen im Sozial- und Gesundheitsbereich, spielt beim Klimaschutz eine wichtige Rolle. Denn CO2-Emissionen entstehen überall: bei der Strom- und Wärmeerzeugung, bei der Verpflegung von Bewohner*innen in Einrichtungen, der Reisetätigkeit von Mitarbeiter*innen, Fahrdiensten, dem Einsatz von Materialien, dem Verursachen von Abfällen. Alles was wir in unserer Arbeit tun, hat CO2-Emissionen zur Folge.

In dem Projekt „Klimaschutz in der Sozialen Arbeit stärken“ werden wir in den nächsten drei Jahren Paritätische Einrichtungen im Sozial- und Gesundheitsbereich dabei begleiten, ihren CO2-Fußabdruck zu messen und anhand der Ergebnisse Maßnahmen zur Reduktion zu ergreifen. Modellhaft wird das Projekt zunächst in 40 Einrichtungen durchgeführt, von der Kita über Pflegeinrichtungen bis hin zu Werkstätten für Menschen mit einer Behinderung. Ziel soll es sein, die Ergebnisse und Maßnahmen in die gesamte Mitgliedschaft zu tragen, und irgendwann alle Paritätischen Einrichtungen – und vielleicht darüber hinaus – zu erreichen.

Die Arbeiterwohlfahrt hat 2018 in ihrem Projekt „klimafreundlich pflegen“ erprobt, in 40 Pflegeeinrichtungen die CO2-Ausstöße zu erfassen und systematisch zu reduzieren. Dabei zeigte sich, dass jeder Pflegeplatz durchschnittlich einen jährlichen CO2-Ausstoß von rund 7,5 Tonnen verursacht. Damit die Pariser Klimaziele erreicht werden können, muss dieser Wert in den nächsten 20-30 Jahren auf eine 1 Tonne gesenkt werden.    

Es zeigt sich: Auch im Sozial- und Gesundheitsbereich haben wir Großes vor und nur wenig Zeit. Wir müssen jetzt handeln, wenn wir den vom Menschen gemachten Klimawandel stoppen und die Auswirkungen der Klimakrise in einem erträglichen Maß halten wollen. Denn wir haben nur diese eine Erde.

Gemeinsam mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschlands BUND führt der Paritätische Gesamtverband gerade eine Aktionswoche "Die ökologische Wende sozial gestalten" statt. Weitere Infos dazu finden auf der Website des Paritätischen Gesamtverbandes.

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Janina Yeung

Janina Yeung ist Referentin im Projekt "Klimaschutz in der Sozialen Arbeit stärken" des Paritätischen Gesamtverbandes.

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