Was ist Gemeinnützigkeit aus juristischer Sicht und wie ist sie entstanden? Das fasst Erika Koglin, Leiterin der Rechtsabteilung beim Paritätischen Gesamtverband, für uns zusammen.

Die Gemeinnützigkeit hat in Deutschland einen hohen Stellenwert und spielt eine wichtige Rolle bei der Förderung des sozialen Zusammenhalts, der Unterstützung von Bildung, Kultur, Wohlfahrtspflege, Wissenschaft und vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen. Als gemeinnützige Körperschaften werden Organisationen bezeichnet, die nicht primär auf Gewinn ausgerichtet sind, sondern das Gemeinwohl im Fokus haben.

Die „Gemeinnützigkeit“ ist in erster Linie ein steuerlicher Status. Die Regelungen hierzu finden sich in der Abgabenordnung, kurz AO genannt. Zu diesem Gesetz gibt es eine allgemeine Verwaltungsvorschrift, den Anwendungserlass der Abgabenordnung (AEAO), der verbindliche Auslegungshinweise für die Finanzämter festlegt. Erhält eine Organisation vom Finanzamt den Bescheid über ihre Gemeinnützigkeit, zeigt sie damit, dass sie im Interesse des Gemeinwohls handelt und ihr Verhalten die Steuerbefreiung für bestimmte Bereiche rechtfertigt. Die Gemeinnützigkeit stellt damit eine Art Gütesiegel dar.

Die meisten gemeinnützigen Organisationen sind in der Rechtsform des Vereins oder der gGmbH, also der gemeinnützigen GmbH organisiert. Es gibt aber auch gemeinnützige Stiftungen, Genossenschaften und Aktiengesellschaften.

Die Anerkennungsvoraussetzungen sind in den §§ 51 – 68 AO geregelt: Eine Organisation muss gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke ausschließlich und unmittelbar verfolgen und dies sowohl in ihrer Satzung verankert haben als auch der tatsächlichen Geschäftsführung danach handeln.

Die Gemeinnützigkeitsentwicklung in Deutschland reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück. Die verschiedenen Steuergesetze in den jeweiligen Ländern des Deutschen Reichs sahen Steuerbefreiungen für gemeinnützige Organisationen vor. Die Gemeinnützigkeitsverordnung zum Körperschaftssteuergesetz von 1922 regelte zum Beispiel, dass die Verfolgung eigenwirtschaftlicher Zwecke mit der subjektiven Steuerbefreiung vereinbar war, solange diese Zwecke von der gemeinnützigen Körperschaft nicht in erster Linie verfolgt wurden. Im Bereich der Körperschaftssteuer war mit der Befreiungsvorschrift des KStG von 1934 weitestgehend der heutige Rechtszustand erreicht. Danach waren von der Körperschaftssteuer befreit „Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nach der Satzung, Stiftung oder sonstigen Verfassung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar kirchlichen, gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dienen. Unterhalten sie einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, der über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht, so sind sie insoweit steuerpflichtig“.

Unter der nationalsozialistischen Gesetzgebung wurde eingeschränkt, dass eine Tätigkeit gemeinnützigen Zwecken nur dienen konnte, wenn dies dem Wohl der deutschen Volksgemeinschaft diente. Auch der Begriff der Mildtätigkeit wurde im Steueranpassungsgesetz von 1936 so gefasst, dass nur noch die Unterstützung bedürftiger deutscher Volksgenossen begünstigt war. Durch die Alliierten wurden diese nationalsozialistischen Einschränkungen nach dem Zweiten Weltkrieg wieder rückgängig gemacht. In der DDR beanspruchte der sozialistische Staat selbst für das Gemeinwohl zu sorgen, mit der Folge, dass z.B. viele Stiftungen enteignet wurden. Die rechtliche Grundlage für die heutige Anerkennung der Gemeinnützigkeit ist die Abgabenordnung von 1977.

Welche Tätigkeit gemeinnützig ist, unterliegt seit jeher dem Wechsel des politischen Willens. So gehörte z.B. die Förderung des Wohnungsbaus Mitte des 19. Jahrhunderts zu den gemeinnützigen Zwecken. Im Jahr 1989 wurden durch das Vereinsförderungsgesetz eine Vielzahl von Freizeitbetätigungen als gemeinnützig in das Gesetz aufgenommen, wie die Tierzucht, die Kleingärtnerei oder auch der Karneval.

Als förderungswürdig kennt die Abgabenordnung heute z.B.: Bildung und Erziehung, Jugendhilfe, Altenhilfe, Wohlfahrtspflege, Hilfe für politisch, rassistisch oder religiös Verfolgte, Rettung aus Lebensgefahr, aber auch Schutz von Ehe und Familie, Heimatpflege oder Förderung des demokratischen Staatswesens. Mildtätige Zwecke werden hingegen verfolgt, wenn die Tätigkeit darauf gerichtet ist, Personen selbstlos zu unterstützen, die infolge ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustands auf die Hilfe anderer angewiesen sind oder deren Bezüge nicht höher sind als das Vierfache (bei Alleinstehenden das Fünffache) des Regelsatzes der Sozialhilfe, siehe auch § 53 AO.

Voraussetzung für die Anerkennung als gemeinnützige Organisation im Sinne der Abgabenordnung ist, dass die Allgemeinheit selbstlos gefördert wird und Mittel nur für die satzungsmäßigen Zwecke verwendet werden. Neben der Selbstlosigkeit sind die Ausschließlichkeit und die Unmittelbarkeit Voraussetzungen für die Anerkennung. Ein gemeinnütziger Verein muss die Mustersatzung der Abgabenordnung verwenden.

Für Spenden können gemeinnützige Organisationen eine Spendenquittung ausstellen, die der Spender steuermindernd geltend machen kann. Des Weiteren sind viele gemeinnützige Organisationen auf das freiwillige Engagement von Menschen angewiesen, die ihre Zeit und Energie für das Gemeinwohl einsetzen. Das ehrenamtliche Engagement stärkt nicht nur den Zusammenhalt innerhalb der Gesellschaft, sondern ermöglicht es auch, die Ressourcen effizienter einzusetzen und somit eine größere Wirkung zu erzielen.

Eine gemeinnützige Organisation muss nachweisen können, dass sie ihr Geld nur für die Satzungszwecke ausgibt und darf nur unter bestimmten Voraussetzungen Rücklagen bilden. Der Regelfall aber ist, dass sie ihre Mittel zeitnah zu verwenden hat.

Die Gemeinnützigkeit spielt für unsere Gesellschaft eine entscheidende Rolle und fördert den Zusammenhalt der Gesellschaft, weil Unterstützung nicht einigen Wenigen zugutekommt, sondern Strukturen schafft, die der Allgemeinheit dienen. Hierbei spielen die Wohlfahrtsverbände eine unverzichtbare Rolle, nicht nur in Krisenzeiten, sondern immer dann, wenn Hilfe oder Unterstützung dringend benötigt wird.

Erika Koglin ist Leiterin der Rechtsabteilung


Dieser Beitrag erschien zuerst in unserem aktuellen Verbandsmagazin zum Thema: Gemeinnützig arbeiten. Wer in einer Paritätischen Einrichtung arbeitet, arbeitet nicht irgendwo. Denn unsere Mitgliedsorganisationen sind gemeinnützig. Ganz kurz gesagt bedeutet das: Anders als auf dem sogenannten Freien Markt steht bei ihnen nicht das Geld an erster Stelle, sondern der Mensch. Gewinne müssen wieder reinvestiert werden und dürfen nicht an Vorstände oder Aktionäre abgegeben werden. Doch hinter der Gemeinnützigkeit steckt viel mehr als nur eine Rechtsform. Dahinter steckt ein Verständnis von Arbeit, die nicht nur profitorientiert ist und der alte Mensch, das Kita-Kind, die behinderte Person etc. nicht als Renditeobjekt angesehen wird.

Mit unserer Kampagne #EchtGut - Vorfahrt für Gemeinnützigkeit wollen wir diese Form des Arbeitens stärken. In diesem Digitalmagazin haben wir mal nachgeschaut, wie es so ist, in einer gemeinnützigen Einrichtung zu arbeiten oder sie zu leiten. Sicherlich könnten viele unserer Interviewpartner*innen in der Wirtschaft viel mehr verdienen. Aber sie haben sich entschieden, in einer gemeinnützigen Einrichtung zu arbeiten und die Gesellschaft ein bisschen besser, gerechter und sozialer zu machen. Davon handelt unser neuestes Digitalmagazin.

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Erika Koglin ist die Leiterin der Rechtsabteilung des Paritätischen Gesamtverbands.

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