Der Paritätische Gesamtverband erläutert vier Prinzipien, mit dem soziale Akteure auf jeder Social Media-Plattform bestehen und gibt Einblicke in sein Projekt #GleichImNetz.

Verschwimmende Grenzen

Gibt es eigentlich noch die klassische Trennung zwischen On- und Offline-Welt? Zwischen Social Media und Real Life? Zwischen „klassischen“ und digitalen Medien? Diese Frage entschieden mit „Ja!“ zu beantworten, wird immer schwieriger: Gaming-Streamer sind Schulhofgespräch, der Kanzler ist jetzt auf TikTok und ein einzelnes Posting auf X (ehemals Twitter) kann Aktienkurse von Milliarden- Unternehmen abstürzen lassen.

Es ist deshalb für soziale Organisationen im Jahr 2024 eine rein rhetorische Frage, ob ihr in Social Media mitmischen solltet. Denn in den sozialen Netzwerken wird gesprochen. Es wird viel gesprochen. Und ob ihr es wollt oder nicht: Es wird auch über euch gesprochen. Die eigentliche Frage ist also: Redet ihr mit?

Viele Plattformen – ein Favorit

Mit Social Media liegt euer Ohr am Puls der Zeit. Ihr bekommt mit: Wie wird über eure Themen diskutiert und wie wird über euch gesprochen. Und mit all dem könnt ihr eine ganze Menge anfangen, da die Grenzen zwischen On-und Offlinewelt verschwimmen. Social Media kann die Verlängerung eurer „klassischen“ Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in den digitalen Raum sein.

Aber auch andersherum: Reaktionen aus Social Media zeigen euch, wo es Kritik gibt und wo eure Positionen Schwächen haben. Ihr erkennt aber auch: Welche Beiträge und Themen werden positiv aufgenommen? Das gilt insbesondere für die politischeren Plattformen wie X/Twitter und den Alternativen Bluesky und Threads, wobei X/Twitter nach wie vor am relevantesten für die politische Lobbyarbeit und für Journalist*innen ist.

Auf Instagram macht ihr euch ansprechbar, knüpft Kontakte, baut Bindungen auf, findet Verbündete und geht in die Interaktion. Und ihr formiert euch für gemeinsame politische Kampagnen, denn mittlerweile sind auch alle relevanten politischen Akteur*innen dort vertreten.

Darüber hinaus gibt es noch weitere Plattformen: Auf Facebook seid ihr vor allem deshalb (noch), weil ihr dort schon immer irgendwie wart. In die Achterbahnfahrt des TikTok-Algorithmus stürzt ihr euch, wenn ihr Einblicke in eine sehr junge Zielgruppe sucht und einen Raum braucht, in dem sich auch jüngere Kolleg*innen voll „austoben“ können. Und auf LinkedIn sucht ihr nach neuen Mitarbeiter*innen.

© Grafik: Frauenhauskoordinierung

Die Präsenz auf den Plattformen kostet euch kein Geld, ihr braucht nur ein Smartphone und los geht’s! Wäre da nicht ein Faktor, mit dem dann doch alle zu kämpfen haben: Zeit! Niemand von uns hat die Möglichkeiten, auf allen Plattformen mitzuspielen. Im Zweifel gilt: Lieber einen Kanal richtig betreuen, anstatt vier Accounts zu halten, auf denen nichts passiert. Und wenn es „nur“ bei einem Auftritt bleiben kann oder soll, dann ist die Plattform der Stunde aktuell ganz klar Instagram.

Mit diesen vier Prinzipien glänzt ihr auf jeder Plattform

Ob schauspielerische Höchstleistungen auf TikTok, ästhetische Zeitlupenaufnahmen im Sonnenuntergang in einem Instagram-Reel oder eine komplexe politische Analyse in nur 280 Zeichen eines Textpostings – mit diesen vier Prinzipien besteht ihr auf jeder Plattform:

1. Learning by doing

Social Media ist einem ständigen Wandel unterworfen und selbst für erfahrene und professionelle Nutzer*innen gibt es immer wieder Neues dazu zu lernen. Am besten lernt man durchs einfach anfangen und dabeibleiben! Bevor ihr startet, solltet ihr euch jedoch einmal Gedanken über eure Ziele, Botschaften und Zielgruppen machen. Ab dann gilt: Probiert euch aus!

2. Talent borrows, genius steals!

Niemand erwartet von euch, dass ihr das Social Media-Game neu erfindet. Was in vielen Bereichen der Populärkultur wie Musik und Kunst gilt, ist ein Grundprinzip des Erfolges der Plattformen: Ideen zu adaptieren, zu recyclen, sie umzuwidmen und zu remixen ist kein "klauen", sondern Teil des Konzepts! Schaut euch an: Was machen andere Accounts in eurem Themenumfeld und lasst euch inspirieren. Denn Social Media sind Orte des sozialen Austausches. Das gilt nicht nur für Ideen, sondern auch für das digitale Miteinander: Habt keine Scheu davor, Kommentare, Likes und Shares zu verteilen. Alles kommt wieder zurück!

3. Try, fail … try again, fail better!

Insbesondere beim Dreh von Videos gilt: Selten klappt alles beim ersten Mal. Daher: Keine Angst vor vielen Versuchen. Aber auch übertriebener Perfektionismus hilft niemandem weiter. Authentizität zählt! Auch auf den anderen Plattformen gilt: Erfahrungen kommen durch Fehler.

4. Jede Sekunde zählt!

Social Media ist ungeduldig: Idee und Inhalt müssen sehr schnell erfasst werden können. Ein Video sollte mit einem guten Bild oder einer guten Frage starten, um direkt die Aufmerksamkeit zu binden. Ein textlastiges Posting sollte direkt zur Sache kommen. Der Einstiegt zählt, in ihn sollte entsprechend mehr Zeit investiert werden.

Das Projekt #GleichImNetz: Soziale Organisationen in sozialen Medien!

Dass heute hunderte soziale Organisationen und Einrichtungen des Paritätischen in Social Media präsent sind, war lange keine Selbstverständlichkeit. Deshalb starteten wir 2019 das Projekt #GleichImNetz. Damals waren die Online-Präsenz, Aktivität und Reichweite sozialer Organisationen, insbesondere in den sozialen Medien, insgesamt noch relativ gering. Mit #GleichImNetz setzte der Paritätische Gesamtverband genau da an und fördert die Präsenz von Organisationen und Themen der Sozialen Arbeit im Internet.

Vernetzung und Multiplikation

Von Beginn an war klar, dass wir so eine Projektidee unmöglich alleine umsetzen können, denn hierfür brauchen wir die komplette Paritätische Power. Wir wollten Haupt-und Ehrenamtliche aus Mitgliedsorganisationen vernetzen, die in Social Media bereits Erfahrung gesammelt haben und vor allem Mut und Lust darauf haben, soziale Medien für die eigene Arbeit zu nutzen.

Daraus ist ein Team aus 100 Online-Scouts entstanden. Diese 100 online-affinen Kolleg*innen wurden von unseren Landesverbänden und überregionalen Mitgliedsorganisationen nominiert und haben sich im Sommer 2019 das erste Mal im Ganzen zu einem Qualifizierungsworkshop in Berlin getroffen und kennengelernt. Nach einem erfolgreichen ersten Jahr haben wir das Scout-Team um 100 weitere Kolleg*innen vergrößert und wurden so zum größten Social Media-Team der freien Wohlfahrt.

Gemeinsam haben wir in Workshops mit- und voneinander gelernt, viele verschiedene Aktionen und Kampagnen durchgeführt und uns vor allem im Netzwerk gegenseitig mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Die Online-Scouts sind bis heute Multiplikator*innen in ihren Organisationen, Verbänden und Regionen für die Arbeit mit Social Media und Digitalisierung.

Eine weitere wichtige Säule zur Vernetzung, aber auch zur Sichtbarkeit ist unsere Plattform „Wir sind Parität“. Das ist der Ort, an dem das breite Netzwerk der gemeinnützigen Paritätischen Organisationen online präsent ist. Hier können sich unsere Mitgliedsorganisationen ein Profil anlegen, in dem sich alle wichtigen Infos zu ihrer Arbeit wiederfinden, aber sie können auch ganz aktuell von ihren Themen und Projekten berichten.

Gerade zum Start des Projektes war es absolut keine Selbstverständlichkeit, dass alle Mitgliedsorganisationen eine eigene Präsenz im Internet hatten. Häufig lag das an fehlender Infrastruktur, aber auch an fehlendem Wissen und vor allem an fehlender Zeit.

Mit der „Wir Sind Parität“-Plattform wollten wir genau diesen Mitgliedern die Möglichkeit geben, sich in nur wenigen Schritten eine Präsenz im Netz zu schaffen und zusätzlich Zugehörigkeit zum Paritätischen und unseren gemeinsamen Werten zu zeigen.

Wissenstransfer

Eine weitere essentielle Säule des Projekts ist der Wissenstransfer, den wir auf verschiedenste Arten angepackt haben. 2019 haben wir unseren Webzeugkoffer ins Leben gerufen, eine Seite mit Anleitungen, Empfehlungen und Tipps zu Social Media Kanälen und diversen Tools zur Zusammenarbeit. Im Laufe der Jahre ist der Webzeugkoffer nicht nur weiter und weiter gewachsen, sondern wurde auch um zwei Sonderseiten „Tool Tipps für die Online-Zusammenarbeit“ und „Checkliste zur Organisation inklusiver Online-Veranstaltungen“, sowie einige Handreichungen und Karten-Sets erweitert.

Darüber hinaus haben wir im Laufe des Projektes ein vielfältiges Angebot aus Online-Veranstaltungen erarbeitet. Diese Veranstaltungen leben von Erfahrungsaustausch, kollegialer Beratung und einer großartigen #WirSindParität- Community!

Aktuell neu im Programm haben wir unseren Digi-Dienstag. Jeden dritten Dienstag im Monat bietet #GleichImNetz geballtes Digitalisierungswissen. Bei unseren kostenlosen 60- bis 90-minütigen Veranstaltungshäppchen, verteilt über den ganzen Tag und online per Videokonferenz besuchbar, ist für jede*n was dabei. Da stellen Kolleg*innen beispielsweise Tools aus ihrem Arbeitsalltag vor, oder treffen uns monatlich zur Social-Media Sprechstunde, zu der jede*r mit aktuellen Anliegen kommen kann und wir uns dann gegenseitig dazu beraten.

Am 13.09.24 findet die Online-Tagung digital|für alle statt. Hier laden wir Menschen mit Beeinträchtigungen herzlich zum groß angelegten Austausch ein. Gemeinsam treffen wir uns mit Software-Unternehmen und haben die Möglichkeit Feedback zu geben, was wirklich benötigt wird, damit es online inklusiver zugeht. Zusätzlich läuft aktuell noch unsere Veranstaltungsreihe zu Künstlicher Intelligenz. In vier Einführungs-Veranstaltungen haben wir uns 2023 mit der Funktionsweise, dem praktischen Nutzen und den Risiken und Grenzen von Systemen, die mit sog. "Künstlicher Intelligenz" arbeiten, auseinandergesetzt. In diesem Jahr werden im Rahmen des Digi-Dienstags Fortsetzungsveranstaltungen zu dieser Reihe angeboten.

Digitale Teilhabe

Mit dem Projekt haben wir einige neue Prozesse und Veränderungen im Verband angeregt. Wichtig war uns dabei immer, unsere Verantwortung für soziale und digitale Teilhabe im Blick zu haben und aktiv mitzugestalten. Als Teil einer lebendigen Zivilgesellschaft stehen wir für gesellschaftlichen Zusammenhalt, Solidarität und eine Gesellschaft, die alle mitnimmt und keinen zurücklässt. Diese Werte gilt es, auch im digitalen Raum zu bewahren und mit allen verfügbaren Mitteln zu stärken.

In den letzten Jahren waren somit die digitale Teilhabe Armutsbetroffener sowie von Menschen mit Beeinträchtigung und Jugendlichen ein weiterer Fokus des Projekts, welcher durch verschiedene Teilprojekte, Veranstaltungen und Publikationen umgesetzt wurde.


Der Beitrag erschien zuerst in der Fachinformation der Frauenhauskoordinierung "Fundraising und Öffentlichkeitsarbeit | Nr. 01/2024".

Über die Verfasser*innen:

Lena Plaut und Matthias Galle sind beide beim Paritätischen Gesamtverband tätig. Lena Plaut ist Projektreferentin DigiKom (digitale Kommunikation), Matthias Galle verantwortet die Social Media Kanäle.

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