Am heutigen 20. Juni ist der internationale Weltflüchtlingstag. Seit 2001 richtet der von den Vereinten Nationen initiierte Aktionstag das Augenmerk auf das Schicksal von Geflüchteten. Leider ist das Thema in diesem Jahr, nicht nur vor dem Hintergrund des Angriffs von Russland auf die Ukraine, erschreckend aktuell. Die Flüchtlingsbewegungen und damit das Leid von Millionen von Menschen reißt nicht ab. Harald Löhlein gibt einen Einblick zum aktuellen Stand der deutschen Flüchtlingspolitik und stellt Forderungen an die Politik.

Die Aufnahme von Schutzsuchenden aus der Ukraine unterscheidet sich bisher in wohltuender Weise – bei aller Kritik im Detail – von früheren Aufnahmesituationen, wie etwa bei der großen Zahl der aus Syrien geflüchteten Menschen. Es gab diesmal auf europäischen Ebene schnell eine Aufnahmebereitschaft und den Betroffenen wurde in mehrfacher Hinsicht ein besserer Status zuerkannt als es bisher üblich war: Aufenthaltserlaubnis statt Aufenthaltsgestattung, Arbeitserlaubnis, Grundsicherungsleistungen statt Asylbewerberleistungsgesetz und so fort. Das alles ist im Sinne der Betroffenen zu begrüßen. Bei anderen Gruppen Geflüchteter führt es verständlicherweise zu der Frage, wie sich diese ungleiche Behandlung begründet. Vor allem stellt sich aber die Frage, was dass nun für die Zukunft bedeuten soll? Wie soll die Aufnahme von Schutzsuchende zukünftig organisiert werden?

Die meisten Sanktionen bzw. Diskriminierungen, denen Asylsuchende in rechtlicher Hinsicht bisher ausgesetzt sind – also Arbeitsverbote, geringere soziale Leistungen, kein Zugang zu Integrationskursen – wurden offiziell damit begründet, dass Asylsuchende ja zunächst nur  vorübergehend – für die Prüfung des Asylantrags –  im Lande bleiben könnten und dass sich aus dieser Befristung, diesem vorübergehenden Status, auch die Einschränkungen begründen würden. Solange man nur vorübergehend hier sei, brauche man weniger und Angebote zur Integration seien ohnehin verfrüht. Diese Begründung war niemals stichhaltig. Es wurde nie überzeugend dargelegt, warum sich aus einem vorübergehenden Aufenthalt ein geringeres Existenzminnimum in Deutschland begründen ließe (man könnte eher plausibel von einem höheren Bedarf ausgehen für die diejenigen, die völlig mittellos neu ins Land kommen). Außerdem verliert diese Begründung nun mit der Aufnahme der Ukrainer endgültig ihre Legitimation. Denn diese erhalten ja ausdrücklich eine Aufenthaltserlaubnis „zum vorübergehenden Schutz“ (§ 24 AufenthG), werden ansonsten aber fast wie anerkannte Flüchtlinge behandelt. Was auch immer die Motive für diese Neubewertung gewesen sein mögen, es ist jetzt wichtig, daraus die nötigen Konsequenzen für die Zukunft zu ziehen, und zwar für alle Schutzsuchende, die nach Deutschland kommen. Natürlich macht es Sinn, wenn Schutzsuchende – auch wenn sie nur vorübergehend hier sind – ihren Lebensunterhalt eigenständig sichern können, also hier arbeiten dürfen und dazu vorab auch die Möglichkeit bekommen, die deutsche Sprache zu lernen, wenn die Kinder sofort die Schule besuchen oder in die Kita gehen können. Alles andere ist verlorene Zeit für die Betroffenen- und bringt hohe Kosten für die Aufnahmegesellschaft für die spätere Integration. Die Aufhebung der Arbeitsverbote und Zugang zu Integrationskursen  für alle Neuankommenden, die im Koalitionsvertrag steht, muss nun zügig umgesetzt werden. Und dass unselige Asylbewerberleistungsgesetz, welches im Juni nächsten Jahres seinen 30 Geburtstag feiert, sollte anlässlich dieses Datums endlich abgeschafft werden.

Für eine Zeitenwende in der Flüchtlingspolitik bedarf es freilich viel mehr: auf europäischer Ebene wird es in den kommenden Jahren vermutlich noch schwerer, substantielle Verbesserungen im Sinne der solidarischen Aufnahme und des besseren Flüchtlingsschutzes zu erreichen. Umso wichtiger ist es, die nationalen Möglichkeiten zu nutzen: eine kontinuierliche Ausweitung der humanitären Aufnahme aus dem Ausland gehört ebenso dazu wie die Schaffung von realistischen Perspektiven für die langjährig Geduldeten in Deutschland. Der hierzu vorliegende Referentenentwurf aus dem BMI verströmt noch stark den Geist eines CSU geführten Innenministeriums, da scheint sich der angestrebte „Paradigmenwechsel“ in der Flüchtlingspolitik noch nicht überall rumgesprochen zu haben. Umso wichtiger, nun die Koalitionsfraktionen in die Pflicht zu nehmen, damit dass was im Koalitionsvertrag hinsichtlich der Flüchtlingspolitik vereinbart wurde, auch tatsächlich zügig umgesetzt wird. Die Rahmenbedingungen dafür werden nicht besser.

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Portrait von Harald Löhlein

Harald Löhlein

Harald Löhlein ist Abteilungsleiter Migration und Internationale Kooperation beim Paritätischen Gesamtverband.

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