Der 20. Juni ist der Weltflüchtlingstag: Der Paritätische Gesamtverband erinnert an das Leid und den Schutzbedarf von Menschen auf der Flucht. Der Verband spricht sich für eine humane, menschenrechtsbasierte Migrations- und Asylpolitik in Deutschland und der EU aus. Gerade wohlhabende Länder müssen sich ihrer Verantwortung und Verpflichtung im Flüchtlingsschutz bewusst sein.
Ärmere Länder tragen Großteil der Verantwortung
Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks, kurz UNHCR, sind aktuell gut 120 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht vor Krieg, Gewalt und Verfolgung. Besonders stark gestiegen ist die Zahl der sogenannten Binnenvertriebenen, also jener Menschen, die innerhalb ihres Heimatlandes Schutz suchen. Ihre Zahl stieg im letzten Jahr um mehr als sechs Millionen.
Die größten Fluchtbewegungen gab es zuletzt im Sudan, in Syrien, Afghanistan und der Ukraine. Kriege zählen dabei zu den häufigsten Fluchtursachen. Besonders im Sudan hat sich der Krieg zur aktuell größten humanitären Katastrophe und größten Fluchtbewegung weltweit ausgeweitet - über 14 Millionen Menschen wurden vertrieben. Zerstörte Städte, verbrannte Dörfer, Angst um das eigene Leben und der Zusammenbruch der Versorgung zwingen ganze Familien, alles zurückzulassen.
Viele Menschen müssen zudem fliehen, weil sie aufgrund ihrer politischen Meinung, sexuellen Orientierung, ethnischen Herkunft oder Religion verfolgt werden. Bedrohungen, Folter, willkürliche Verhaftungen oder sogar Mord lassen ihnen keine andere Wahl, als ihr Heimatland zu verlassen. Hinzu kommt: Millionen Menschen verlieren durch Armut, Hunger, Naturkatastrophen und die Folgen des Klimawandels ihre Lebensgrundlagen. Ernten verdorren, Wasser wird knapp, Überschwemmungen und Dürren zerstören Dörfer und Felder.
Nach wie vor gilt: Die allermeisten Geflüchteten verbleiben in unmittelbarer Nähe zu ihrem Herkunftsland – oft in Nachbarstaaten ihrer Heimat, die selbst mit großen Herausforderungen kämpfen. Den größten Teil der Verantwortung im globalen Flüchtlingsschutz übernehmen damit arme oder ärmere Länder.
Gleichzeitig sind die weltweite humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit von enormen Kürzungen betroffen. Damit verschlechtert sich die Situation Geflüchteter in den Erstaufnahmeländern dramatisch. Solche Kürzungen können sogar zu einer Ausweitung von Flüchtlingskrisen beitragen.
Europa entledigt sich seiner Verantwortung
Europa versucht, sich seiner Verantwortung zu entziehen. Die Zahl der Asyl-Erstanträge ist 2024 aufgrund einer repressiveren Politik gegen Geflüchtete um 11 Prozent auf rund eine Million gesunken. Angesichts von Mehrfachregistrierungen liegt die tatsächliche Zahl vermutlich sogar noch darunter. Damit macht die Zahl der Menschen, die in Europa Hilfe suchen weniger als 0,2 Prozent der EU-Bevölkerung aus.
Dieser Rückgang ist kein Zufall, sondern Folge einer europäischen Abschottungspolitik entlang der Fluchtrouten, etwa in Tunesien, Libyen oder auf der Westbalkanroute. Menschenrechtsverletzungen sind an der Tagesordnung: In Tunesien leben tausende Menschen ohne Versorgung in improvisierten Lagern und werden teilweise von tunesischen Behörden in der Wüste ausgesetzt, unter ihnen auch Schwangere und Kinder. In Libyen sind Geflüchtete willkürlicher Verhaftung und unmenschlichen Bedingungen in Lagern ausgeliefert, berichtet wird von Folter und Versklavung. Auf der Westbalkanroute droht Geflüchteten Polizeigewalt und die Inhaftierung in Lagern unter unwürdigen Bedingungen.
Eine Lösung für diese Probleme bestünde in sicheren und legalen Fluchtwegen. Doch diese gibt es nach Europa kaum. Besonders betroffen davon sind Menschen aus afrikanischen Ländern oder dem Nahen und Mittleren Osten. Die deutsche Bundesregierung trägt durch die geplanten Einschränkungen beim Familiennachzug oder das Aussetzen von Aufnahmeprogrammen zu diesen Entwicklungen aktiv bei.
Die EU-Kommission plant zudem, Asylverfahren in sogenannte “sichere Drittstaaten” auszulagern – eine klare Absage an die eigene Verantwortung für den Flüchtlingsschutz. Auch das Aussetzen des Asylrechts an den europäischen Außengrenzen ist kein Tabu mehr. Mit der anstehenden Reform des europäischen Asylsystems drohen zudem enorme Verschärfungen, u.a. haftähnliche Zustände für viele Asylsuchende. Das Ziel ist klar: Menschen von der Flucht nach Europa abzuschrecken.
Starke Rechte, humanitäre Hilfe und sichere Fluchtwege statt fataler Signale!
Abschottung, Auslagerung und Hilfskürzungen senden ein fatales Signal, gerade an die Länder, die einen Großteil der Verantwortung für Geflüchtete übernehmen. Deutschland und die EU schwächen mit dieser Politik nicht nur den Schutz Geflüchteter vor Ort, sondern weltweit. Starke Rechte für Geflüchtete sind entscheidend, weil sie Staaten dazu verpflichten, ihre Verantwortung im Flüchtlingsschutz tatsächlich wahrzunehmen. Wer allein auf Abschottung und eine rein freiwillige Aufnahme setzt, stielt sich aus der Verantwortung.
Zum Weltflüchtlingstag mahnt der Paritätische daher: Der Schutz von Menschen auf der Flucht ist eine gemeinsame Aufgabe, für die auch Deutschland und Europa konsequent Verantwortung übernehmen müssen. Es braucht ein klares Bekenntnis zu Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit, fairen Asylverfahren und einer Politik, die Leben und Würde der Schutzsuchenden konsequent sicherstellt. Gleichzeitig müssen auch jene Unterstützung erhalten, die sich für die Rechte Geflüchteter einsetzen – unter anderem zivilgesellschaftliche Organisationen, Beratungsstellen und Anwält*innen. Das beinhaltet auch eine ausreichende Finanzierung derjenigen, die tagtäglich geflüchtete Menschen in Deutschland bei ihrer Ankunft und Integration unterstützen.
Der Paritätische fordert Bundesregierung und EU daher auf, sichere Wege für Schutzsuchende zu öffnen, die humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit deutlich aufzustocken und die Rechte von Geflüchteten konsequent zu stärken. Nur eine solidarische, menschenrechtsbasierte Flüchtlingspolitik wird den Herausforderungen der Zeit gerecht und leistet einen Beitrag zu einer gerechteren und humaneren Welt.