Zerstörte Häuser, Brücken, Ernten, aber auch Erinnerungen und Existenzen: Die Realität der Flutbetroffenen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz kennen viele Sächsinnen und Sachsen aus eigener leidvoller Erfahrung.

Verteilung von 150 Hilfspaketen mit Artikeln für die Körperhygiene und Gesundheitsvorsorge in Erftstadt-Blessem Ende Juli 2021 © arche noVa

Im August 2002 forderte die Jahrhundertflut im Freistaat Sachsen 21 Todesopfer, Teile Dresdens mussten evakuiert werden, viele Orte waren von der Außenwelt abgeschnitten. Der materielle Schaden betrug 8,6 Milliarden Euro. Doch im Angesicht der Katastrophe zeigten Menschen im In- und Ausland eine enorme Hilfs- und Spendenbereitschaft, das Bündnis „Aktion Deutschland hilft“ erhielt Spenden in Höhe von 868.645,36 Euro, insgesamt kamen mehr als 500 Millionen Euro für die Betroffenen der Elbeflut zusammen.

Nun ist andernorts Hilfe gefragt und Sächsinnen und Sachsen zeigen sich solidarisch. Auch Mitgliedsorganisationen des Paritätischen engagieren sich für die flutbetroffenen Menschen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, mit ihren Erfahrungen aus zwei dramatischen Hochwasserereignissen, mit Spendenaktionen und Hilfseinsätzen vor Ort.

So zog der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) wichtige Lehren aus den Flutereignissen von 2002 bzw. 2013, die jetzt die Hilfe bei der Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz erleichtern. Während und nach der Flutkatastrophe 2002 war allein der ASB mit 8 Katastrophenschutzzügen (Sanitäts- und Betreuungszüge), Booten der ASB-Wasserrettung und rund 1.500 Helfer*innen aus ganz Deutschland im Einsatz. Diese versorgten Verletzte, betreuten Evakuierte, sicherten die Versorgung von Helfer*innen und Anwohner*innen und unterstützten bei der Beseitigung der Langzeitfolgen. Albrecht Scheuermann, Referatsleiter Rettungsdienst, Katastrophenschutz und Ausbildung beim ASB Sachsen und schon damals Fachberater im zentralen Krisenstab im sächsischen Innenministerium, erinnert sich an viel Solidarität, aber auch an Koordinierungs- und Kommunikationsprobleme, Parallelstrukturen und fehlendes Material. Er berichtet: „Es gab Fälle, wo Einheiten  kurzerhand durch örtlich Verantwortliche umdirigiert wurden, welche sich gerade auf den vorgegebenen Marsch in ein völlig anderes Zielgebiet befanden. Damit entstanden damals zusätzliche Führungsprobleme.“

Katastrophenschutz beim ASB

Der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) ist als Hilfs- und Wohlfahrtsorganisation in ganz Deutschland aktiv und besteht aus 16 Landesverbänden, 205 Regional-, Kreis- und Ortsverbänden und 125 GmbHs. Dabei sind neben den rund 40.000 hauptamtlichen Mitarbeiter*innen auch mehr als 20.000 Menschen ehrenamtlich für den ASB tätig, unter anderem im Bereich Katastrophenschutz, der 24 Stunden am Tag und an 365 Tagen im Jahr einsatzbereit ist. Die ehrenamtlichen ASB-Helfer*innen sorgen bei einer größeren Schadenslage für die Rettung und den Schutz der Bevölkerung, zum Beispiel bei der medizinischen Erstversorgung, durch Evakuierungsmaßnahmen oder bei der Versorgung und Betreuung von vielen Menschen, egal ob zu Land oder zu Wasser.

Die Lehren: Der ASB Sachsen legte u.a. Lager links- und rechtsseitig der Elbe an, um Materialknappheiten im Katastrophenfall, auch bei fehlender Passierbarkeit des Flusses, vorzubeugen. Dort werden beispielsweise Entfeuchtungsgeräte vorgehalten, die nun von der ASB-Katastrophenschutzeinheit aus Riesa unkompliziert den Menschen in den Flutgebieten im Westen Deutschlands zur Verfügung gestellt werden konnten. Neben 50 Entfeuchtungsgeräten konnten so schnell auch fünf Profihochdruckreiniger und fünf Notstromaggregate ins Hochwassergebiet geschickt werden, wenig später folgten eine größere Netzersatzanlage und weitere Trockner.

Darüber hinaus sind Einsatzkräfte des ASB in den flutbetroffenen Regionen unterwegs und leisten neben den Aufräumarbeiten auch psychosoziale Unterstützung und Beratung beim Ausfüllen von Formularen sowie dem Abruf von Hilfs- und Spendengeldern. Albrecht Scheuermann erläutert: „Die Flutkatastrophe 2002 hatte gezeigt, dass die betroffene Bevölkerung im Nachgang so eines Ereignisses Hilfe benötigt und zwar nicht nur bei den Aufräumarbeiten. Wenn über Nacht das gesamte Hab und Gut vernichtet wird oder sogar Menschen zu Tode gekommen sind, wie jetzt an der Ahr, muss man die Menschen auch psychosozial unterstützen.“

Auch bei arche noVa e.V. ist man aktuell wieder im Einsatz und kann in den Flutgebieten in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz die Erfahrungen aus wirkungsstarken Projekten nach den Hochwassern von 2002 und 2013 einbringen.

arche noVa

arche noVa - Initiative für Menschen in Not e.V. wurde 1992 in Dresden gegründet und engagiert sich weltweit in den Bereichen der Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe, wobei der Schwerpunkt der Arbeit auf sogenannten WASH-Projekten (Wasser, Sanitär, Hygiene) liegt. Das Ziel: Alle Menschen sollen Zugang zu sicherem und sauberem Trinkwasser sowie sanitärer Grundversorgung bekommen. Der Verein ist auch in der Katastrophenvorsorge engagiert, zum Beispiel in Ostafrika. So wurden Menschen in Äthiopien zur Vorsorge gegen Dürrekatastrophen mit gemauerten Regenwasserspeichern und Filtrationsanlagen ausgestattet und gemeinsam mit einer lokalen Partnerorganisation in Kenia Sanddämme errichtet, um Wasser während der Regenzeit zu speichern.

Während und nach dem Hochwasser 2013 leistete der Verein zunächst Soforthilfe und stellte 12 gemeinnützigen Einrichtungen in Sachsen und Bayern Sandsäcke, Reinigungskits sowie Pumpen und Bautrockner zur Verfügung. Noch bis Ende des Jahres 2018 unterstützte arche noVa über 120 Vereine und kommunale Einrichtungen beim Aufbau nachhaltiger Strukturen, um sich bestmöglich auf eventuelle weitere Hochwasserereignisse vorzubereiten.

Das Handbuch für Katastrophenmanagement im Verein

arche noVa hat gemeinsam mit dem Kulturbüro Dresden und basierend auf den Erfahrungen, die viele Menschen während und nach dem Juni-Hochwasser der Elbe 2013 gemacht haben, das Handbuch Katastrophenmanagement im Verein erstellt, welches Vereine, aber auch Privatpersonen, dabei unterstützen soll, sich auf eventuell wieder auftretende Hochwasser vorzubereiten und damit Schäden durch zukünftige Naturereignisse möglichst zu vermeiden oder zumindest deutlich zu minimieren. Hier kann das Handbuch heruntergeladen werden.

© Ina Beu | Volkssolidarität Leipziger Land/Muldental e.V.

So will man es jetzt auch in den Hochwassergebieten in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz handhaben: Nach Abschluss der Direkthilfe, für die der Verein eine Anschubfinanzierung in Höhe von 50.000 Euro aus eigenen Rücklagen zur Verfügung stellte und in deren Verlauf u.a. gemeinsam mit dem Bündnispartner ASB in Erftstadt-Blessem Hygienekits mit Seife, Zahnbürsten, Desinfektionsmitteln, FFP2-Masken, aber auch Mülltüten, Kanistern mit Trinkwasser, Handschuhe und Windeln verteilt wurden, wird arche noVa seine Kompetenzen im Wiederaufbau einbringen. Flutbetroffene Vereine, Kindergärten und andere Institutionen sollen so schnell wie möglich wieder ihre Arbeit aufnehmen können und Unterstützung bei der Beantragung von Fördergeldern sowie der Planung von Wiederaufbaumaßnahmen erhalten. Mathias Anderson, Geschäftsführer von arche noVa erläutert: „Die Erfahrung hat uns gelehrt, dass gerade kleine Vereine und zivilgesellschaftliche Organisationen oft über Jahre mit den Folgen einer solchen Katastrophe kämpfen und nicht ausreichend ausgestattet sind, um alle Schäden zu beseitigen. Hier wollen wir unsere Expertise einbringen und die Betroffenen gezielt unterstützen.“

Tief bewegt von den schockierenden Bildern aus Erftstadt im Juli diesen Jahres war für die Mitarbeiter*innen der Geschäftsstelle der Volkssolidarität Leipziger Land/Muldental e.V. sofort klar: Wir starten eine Spendenaktion!

Ina Beu, Mitarbeiterin für Öffentlichkeitsarbeit bei der Volkssolidarität Leipziger Land/Muldental e.V. erinnert sich: „Wir hatten gar keinen Kontakt nach Erftstadt, aber die Bilder, die uns von dort erreichten waren so schrecklich, dass wir sofort aktiv geworden sind. Ich habe einfach bei der Stadtverwaltung in Erftstadt angerufen und nachgefragt, ob und wie wir mit einer Spendenaktion helfen können.“

Schnell kam die Initiative für eine Spendenaktion für Erftstadt ins Rollen und es wurde extra ein Spendenkonto eröffnet. Das Ziel: 10.000 Euro sammeln und diese zu 100 Prozent direkt den Menschen und Betroffenen aus Erftstadt zugutekommen lassen. Im Spendenaufruf an die 1.200 Mitarbeiter*innen des Verbandes sowie Mitglieder und Angehörige heißt es: „Wie sehr dringende und schnelle Hilfe nun nötig ist, wissen viele von uns selbst. Lassen Sie uns deshalb solidarisch Miteinander - Füreinander helfen.“ Viele Beschäftigte der Volkssolidarität Leipziger Land/Muldental e.V. erinnern sich noch gut an die Hochwasserereignisse von 2002 und 2013 sowie an die schnelle Unterstützung, die geleistet wurde. Land unter hieß es damals auch für einige der 59 Kitas und 25 weiteren sozialen Einrichtungen, deren Träger die Volkssolidarität in der Region ist.

© Ina Beu | Volkssolidarität Leipziger Land/Muldental e.V.

Bei der Spendenaktion gibt jede*r so viel wie er/sie kann. Besonders bewegend: Kinder und Jugendliche aus dem Kinder- und Jugendheim „Völkerfreundschaft“ in Markkleeberg, das 2013 vom Hochwasser der Pleiße betroffen war, spendeten für die Aktion des Trägers einen Teil ihres Taschengeldes. Und der Hort „Lützschena“ in Leipzig organisierte mit tatkräftiger Unterstützung der Schulkinder einen Waffelverkauf. Der Erlös in Höhe von 420,10 Euro wird natürlich zu 100 Prozent flutgeschädigten Menschen in Erftstadt zugutekommen. Dafür ist eine persönliche Übergabe der Spenden durch den Geschäftsführer der Volkssolidarität Leipziger Land/Muldental e.V. Dr. Klaus Bandekow geplant.

Bereits am 16. Juli richteten die Liga der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in Sachsen und der Freistaat Sachsen ein gemeinsames Spendenkonto unter dem Motto „Sachen hilft!“ für die Betroffenen des Hochwassers in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz ein. Bis Anfang September 2021 spendeten die Sächsinnen und Sachsen bereits gut 1,5 Millionen Euro. Michael Richter Landesgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Sachsen zeigt sich dankbar und begeistert über die Spendenbereitschaft: „Sachsen sendet damit ein starkes Signal in die flutgeschädigten Regionen: Wir lassen Euch nicht alleine! Das Land steht in der Not zusammen. Dies ist ein wunderbares und hoffnungsvolles Zeichen des Zusammenhalts unserer Gesellschaft.“Bereits am 16. Juli richteten die Liga der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in Sachsen und der Freistaat Sachsen ein gemeinsames Spendenkonto unter dem Motto „Sachen hilft!“ für die Betroffenen des Hochwassers in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz ein. Bis Anfang September 2021 spendeten die Sächsinnen und Sachsen bereits gut 1,5 Millionen Euro. Michael Richter Landesgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Sachsen zeigt sich dankbar und begeistert über die Spendenbereitschaft: „Sachsen sendet damit ein starkes Signal in die flutgeschädigten Regionen: Wir lassen Euch nicht alleine! Das Land steht in der Not zusammen. Dies ist ein wunderbares und hoffnungsvolles Zeichen des Zusammenhalts unserer Gesellschaft.“


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Portrait von Stefanie Köhler

Stefanie Köhler

Stefanie Köhler ist Referentin für fachpolitische Grundsatzfragen und koordiniert das Verbandsjubiläum des Paritätischen Gesamtverbandes.

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