Am Montag meldete das Statistisches Bundesamt (Destatis), dass im Jahr 2024 die Ausgaben für Sozialhilfe, das letzte Netz des Sozialstaates, um fast 15 Prozent gestiegen sind. In der Summe sind das Mehrausgaben von über 20 Milliarden Euro. Die Ausgaben für die Eingliederungshilfe, die vor allem Menschen mit Behinderung zugutekommt und ihnen ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen soll, legten um 13 Prozent auf fast 29 Milliarden Euro zu.

Die reflexhaften Reden von „explodierenden“ Kosten und „schmerzhaften Einschnitten“ ließen nicht lange auf sich warten. Aber was steckt dahinter? Unter dem bekannten Begriff der Sozialhilfe werden ganz unterschiedliche Leistungen zusammengefasst: die Grundsicherung im Alter, wenn die Rente zu gering ist, und bei Erwerbsminderung, die Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfe zur Pflege, die Hilfen zur Gesundheit, die Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten sowie weitere Leistungen wie die Blindenhilfe oder die Hilfe zur Weiterführung des Haushalts. Mehr als 56 Prozent der gesamten Ausgaben entfielen auf die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung – insgesamt 11,4 Mrd. Euro. Für die Hilfe zur Pflege, die Hilfe zum Lebensunterhalt und für die weiteren genannten Hilfen wurden insgesamt fast 9 Milliarden Euro aufgewendet plus die Eingliederungshilfen von fast 29 Milliarden Euro.

Das klingt nach astronomischen Summen, ist aber im Verhältnis gar nicht so viel. Zusammengenommen machen die Ausgaben der Sozialhilfe nur 4,1 Prozent des gesamten Sozialbudgets aus. Zum Vergleich: Allein die Krankenversicherung beansprucht über ein Viertel des Budgets. Hinzu kommt: Die Sozialhilfe ist das letzte Netz des Sozialstaats. Je größer die Maschen und je breiter die Löcher der anderen Systeme, die zuerst greifen sollten, desto stärker wird sie beansprucht. Sie sichert nur noch das Existenzminimum, beispielsweise 2024 für 1,26 Millionen Menschen in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung
Hier zeigt sich exemplarisch, wie wichtig die Stärkung der Rente ist! Menschen, die ihr Leben lang hart gearbeitet haben, aber wenig einzahlen konnten, stehen im Ruhestand oft mit einem Taschengeld da, dass gerade so zum Überleben reicht. Auch in der Pflege wird deutlich: Eine Schwächung der Sozialversicherungen führt zu Kostensteigerungen an anderer Stelle – etwa durch eine Eigenbeteiligung von durchschnittlich 3.108 Euro im ersten Jahr der Pflege im Heim, mit denen die Betroffenen konfrontiert werden.

Die Ursachen der Ausgabensteigerungen sind vielfältig: die steigende Zahl der Leistungsbeziehenden, notwendige Inflationsanpassungen, höhere Mieten, bessere Löhne, Folgen des demografischen Wandels. Wer ausgerechnet bei den Ärmsten sparen will, muss offen sagen, wo: Bei den Rentenzuschüssen die Armut häufig lebenslang festschreibt? Beim Barbetrag für Heimbewohner:innen, der monatlich nur 152,01 Euro beträgt? Ernsthaft?

Es ist nicht die Sozialhilfe, die wir uns nicht mehr leisten können. Wir können uns z.B. nicht mehr leisten, dass das Soziale vorwiegend über Beiträge der Beschäftigten finanziert wird und Kapitalerträge und Vermögen kaum oder gar nicht dazu beitragen.  Wir können uns nicht mehr leisten, dass Mieten nicht begrenzt werden – obwohl Wohnen ohne massive staatliche Zuschüsse für viele nicht mehr bezahlbar ist. Nicht zuletzt: Wir müssen den Sozialstaat unbürokratischer, zugänglicher & leistungsfähiger machen. Ja, es wird viel verteilt. Aber es wird noch viel zu wenig umverteilt!

Dieser Text erschien in ähnlicher Form als Gastbeitrag bei table.media.

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Portrait von Dr. Joachim Rock

Dr. Joachim Rock

Dr. Joachim Rock ist Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands.

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