Ohne erhobenen Zeigefinger, dafür mit jeder Menge Herzblut, erprobt Tontalente in Lübeck künstlerisch-kreative Ansätze, die Energie und Motivation für eigenes Klimaengagement freisetzen. Dabei schafft Tontalente Räume, in denen sich alle Menschen mit ihren Liedern, ihrer Musik, ihrer Ausdrucksweise begegnen können, egal, ob jemand drei Töne spielen kann oder Profi-Musiker*in ist. Wir haben mit Fabienne Haßlöwer über das Projekt “Klim'Art” und den “Klim'Art”-Spirit gesprochen.

Fabienne Haßlöwer ist Sängerin, Musikpädagogin und Projektplanerin bei Tontalente e.V. und leitete das Projekt “Klim'Art”. © Tontalente e.V.

Frau Haßlöwer, wie würden Sie das Projekt “Klim'Art” in drei Worten beschreiben?

In drei Worten? Das ist herausfordernd. Das erste Wort, was sofort in meinem Kopf aufgeploppt ist, war Vielfalt, das zweite Wort, das kam, war Wachstum, das dritte Wort ist Umdenken.

Bei “Klim'Art” haben wir mit sehr vielfältigen Menschen gearbeitet, mit ganz vielen verschiedenen kulturellen und Bildungshintergründen bei den Teilnehmenden. Die Gruppen hätten fast nicht heterogener sein können, in Bezug auf Alter, ihre biographischen Hintergründe, aber auch in Bezug auf die kreativen Methoden und Ansätze, die wir gemeinsam erprobt und entwickelt haben. Es ist total wichtig für Veränderungsprozesse einen sicheren Raum zu gestalten, um überhaupt in ein Wachstum zu kommen und etwas zu verändern.

Was waren die Anliegen und Ziele des Projektes?

Das Hauptziel von “Klim’Art” war es, gemeinsam kreative und künstlerische Methoden zu entwickeln, die europäische Jugendliche und Fachkräfte in der Jugendarbeit motivieren und dazu befähigen, sich stärker für Klima und Umwelt zu engagieren und das war sehr berührend. Dafür haben wir uns mit den Kreativorganisationen Faísca Voadora aus Almada in Portugal und Schoolclash aus Utrecht in den Niederlanden vernetzt.

Wie verlief das Projekt?

Die aktive Projektphase hat 2022 in einem Partnerkontaktseminar online begonnen mit den drei teilnehmenden Organisationen, je einer lokalen Umweltgruppe und Fachkräften aus der Jugendarbeit. Der Auftakt war also, dass sich erst mal alle Projektpartner und deren Netzwerke intensiv kennenlernten. Wir haben Menschen gesucht aus den Bereichen Umwelt und Kreativität sowie benachteiligte Menschen, damit dieser Dialog und die Fachexpertise sich treffen können.

Im Mai war dann das Fachkräftetraining in Lübeck, bei dem auch schon Jugendleiter*innen aus dem Partnerkontaktseminar dabei waren. Zuvor haben wir gemeinsam das Fachkräftetraining konzipiert und überlegt, was uns wichtig ist und was bei diesem entstehen soll. Wir haben uns für ein offenes Format entschieden. Denn: Tontalente und unsere Partner arbeiten im Kreativbereich. Als anleitende Personen arbeiten wir stark bedürfnisorientiert und partizipativ mit den Zielgruppen. Und wir haben in vielen Kontexten lernen dürfen, dass gerade als Kreativer jeder sehr seine eigene Handschrift hat. Eine Methode zu kopieren, die jemand anderes entwickelt hat, ist ein toller Impuls und ein gutes Ausprobieren, aber es braucht immer den Schritt, für eine erfolgreiche Anleitung, das zu seinem eigenen zu machen und zu verinnerlichen. Mit dieser inneren Überzeugung und Motivation überträgt sich der Funke und die eigene Botschaft.

Die beim Fachkräftstraining ausgetauschten und entwickelten Methoden haben wir im August in einer internationalen Jugendbegegnung auf einem solidarisch-ökologischen Hof in Almada (Portugal) ausprobiert und haben dort erfahren, wie gut es allen getan hat, sich mit der Natur musikalisch zu verbinden. Und gespiegelt zu bekommen, was mir tatsächlich wichtig ist und was nur Beiwerk, das mich ablenkt, auch von der Frage: Wie will ich eigentlich leben?

Beginn der Ernteparty auf dem solidarisch-ökologischen Hof in Almada. © Tontalente e.V.

Welche künstlerisch-kreativen Methoden haben Sie denn erprobt und von welcher Grundhaltung wurde das Projekt getragen?

Zuerst war es uns wichtig, in unserer Gruppendynamik einen sicheren, freien und kreativen Raum zu schaffen. So wie wir miteinander sind und mit uns als Gruppe umgehen, ist doch auch der Spiegel, wie wir im Außen mit der Welt, der Erde, mit unseren Ressourcen umgehen.

Die Haltungsarbeit in der Gruppe wurde sehr wichtig, um diese in die Jugendarbeit zu transportieren. Es ist ok, dass du dich dort positionierst, wo du gerade stehst, das findet keine Bewertung oder Verurteilung, sondern einfach einen florierenden Austausch.

Während des Fachkräftetrainings sind wir durch die Elemente gewandert. Wir hatten fünf Tage und haben uns jeden Tag einem Element gewidmet. Wir haben uns komplett in der Natur bewegt. Eine inspirierende Wirkung hatte vor allem die Übung eines Trommlers. Er hat uns als Gruppe angeleitet, dass wir barfuß durch den Wald laufen und er hat das mit seiner Trommel begleitet. Er hat uns im Vertrauen geführt und wir haben gewissermaßen versucht, mit den Füßen zu sehen. Wir durften dem Trommelklang folgen, mit geschlossenen Augen und haben dann gemeinsam gesungen. Das war ein magischer, verbindender Moment für die Gruppe. Es war eine Stärke, gemeinsam Hindernisse überwunden zu haben.

Was macht das Projekt aus Ihrer Sicht besonders? Was wird bleiben?

Ich nenne es den “Klim’Art”-Spirit. Und das bedeutet, in tiefer Verbundenheit mit der Natur dort aktiv zu werden, wo ich andocken kann und aus der inneren Überzeugung etwas verändern und bewegen möchte. Angefangen bei mir selbst, als Vorbild und Leuchtturm für Andere. Uns Kreativen kommt die Rolle zu, die Menschen auch mit dem Herzen mitzunehmen, diese tiefe Motivation zu finden, die einen bewegt und berührt, für Umwelt und die Natur zu begeistern. Und Bewegen kann ja durchaus schmerzvoll sein, aber auch das ist eine intrinsische Motivation. Wir haben bei unserem Projektpartner in Portugal zum Beispiel geholfen, Schäden nach den enormen Waldbränden zu beseitigen und aufzuräumen. Dort ist ganz viel an Aktivitäten aus Schmerz heraus entstanden, aber selbst da ist die Kreativität ein Herz- und Heilmittel, was dabei unterstützen kann, sich nach vorne zu wenden. Beim Wandern durch das abgebrannte Gelände war es sehr bewegend, mit dieser Art von Zerstörung umzugehen.

Ich erlebe zudem sehr viele Fragezeichen, wenn es um das Thema Klimaschutz geht. Wir haben bei Tontalente auch das Projekt “Kreativ für Klimagerechtigkeit”, das von “Klim’Art” beeinflusst ist. Wir wollen mit dem Projekt bewusst ein lokales Netzwerk in Schleswig-Holstein aufbauen und miteinander versuchen, weiter Dinge anzustoßen und auf den Weg zu bringen. Ich erlebe bei den Netzwerkpartnern viel Interesse. Bei denen ist Umwelt- und Klimaschutz auch ein riesiges Thema, aber es gibt viel Unsicherheit, wie sie Menschen bewegen und gewinnen können, manche fühlen sich auch oft ohnmächtig damit. Die Frage ist ja: Wie docke ich an intrinsische Motivationen bei den Menschen an, damit das Thema Umwelt- und Klimaschutz nicht verpufft oder Dinge aus irgendeinem Frust oder mit erhobenem Zeigefinger passieren und eigentlich nicht getragen sind und dann nicht mit gemeinsamer Energie angestoßen werden? Wir haben großes Interesse daran, Organisationen und Menschen zu finden, die mit uns diesen Weg gehen wollen.

Frau Haßlöwer, vielen Dank für das Interview.

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Dieser Beitrag erschien zuerst in unserem aktuellen Verbandsmagazins mit dem Titel "Energie und Krise"  des Paritätischen Gesamtverbandes.

Viele Menschen in Deutschland sorgen sich derzeit um die steigenden Energiepreise. Auf der anderen Seite sind der Klimawandel und seine Folgen ein dringliches Problem. Für unser Verbandsmagazin haben wir deshalb mit der Klimaaktivistin Luisa Neubauer gesprochen und sehen uns an, wie Paritätische Organisationen bei Energiearmut helfen und wie unsere Einrichtungen sich selbst den neuen Herausforderungen anpassen und auf ökologische Energieversorgung umsteigen. Wir geben Energiespartipps und stellen das Projekt www.energie-hilfe.org vor.

Für manche ist Soziales und Ökologie ein Widerspruch. Nicht für den Paritätischen. Wir sagen schon lange: Es geht nur ökosozial. Daher berichten wir auch über unsere Kooperation mit Bündnispartner*innen aus dem Umweltbereich. Und natürlich gibt es wieder alle Neuigkeiten aus dem Paritätischen Gesamtverband.

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Stefanie Köhler

Stefanie Köhler ist Referentin für fachpolitische Grundsatzfragen und koordiniert das Verbandsjubiläum des Paritätischen Gesamtverbandes.

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