Nachbarschaftsarbeit ist Soziale Arbeit auf die „Pantoffelentfernung“. Auch in der Coronakrise konnte sie ihre Stärken ausspielen – und Gemeinschaft auch in Zeiten schaffen, in denen Distanz zur Norm wurde.

Nachbarschaft ist in den Zeiten der Corona-Pandemie in den Fokus der Aufmerksamkeit gerutscht – in den privaten und den öffentlichen. In den Lock-Downs waren auf einmal alle, und nicht mehr nur Senior:innen und Mütter und Väter, die Kinder betreuen, auf den Nahraum zurückgeworfen, auf die „Pantoffelentfernung“ wie es in der Sozialen Arbeit oft heißt. Mobilität war eingeschränkt. Dort wo Unterstützung gefragt war, zeigte sich, dass viele Nachbarschaften und private Netze funktionierten und Gemeinschaft und Hilfe boten, wo von Nöten.

Nachbarschaftliches Miteinander: Mehr als ein Nice-to-Have

Für viele Menschen braucht es aber mehr als das selbstorganisierte Miteinander im eigenen Milieu. Soziales, kulturelles und zivilgesellschaftliches Engagement ist kein Nice-To-Have, sondern unverzichtbar für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, für demokratisches Zusammenleben und um soziale Notlagen und soziale Isolation zu verhindern oder zu lindern. Und das ist die Domäne der Nachbarschaftsarbeit.

Die Sozialarbeiter*innen in den Nachbarschaftshäusern stellen eine soziale Infrastruktur zur Verfügung, die sowohl Hilfe bei existentiellen Notlagen ermöglicht als auch das alltägliche Zusammensein, Begegnung jenseits von Familien, Beruf und Freundeskreis.

Begegnung und Engagement sind grundlegend für demokratisches Zusammenleben, Mit einander reden, diskutieren und Kompromisse finden, setzt voraus, Menschen in Lebenssituationen zu kennen und mit ihnen zu sprechen. Nachbarschaftsarbeit ermöglicht, die Erfahrungen anderer zu hören und die eigenen zu erzählen.

Gemeinschaft fördert demokratisches Zusammenleben und gesellschaftlichen Zusammenhalt

Zudem führt Gemeinschaft – auch über die eigene soziale Gruppe hinweg, generationen-, kultur- und milieuübergreifend – zu Zugehörigkeit. Demokratisches Zusammenleben braucht Zugehörigkeit, denn nur wenn ich mich zu einer Gesellschaft zugehörig fühle, dann interessiere ich mich auch für sie, fühle mich verantwortlich, will mitgestalten.

Nachbarschaftsarbeit ermöglicht Debatten und Diskurse, wirkt mit an der Gestaltung des öffentlichen Raums und aktiviert Menschen, ihre Themen zu setzen, Veränderung anzustoßen und ihr eigenes Umfeld zu gestalten. Nachbarschaftsarbeit organisiert die hierfür notwendigen Ressourcen, Kontakte, Wissen, Methoden und Räume.

Dieses zivilgesellschaftliche Miteinander ermöglicht es auch in Corona-Zeiten, phantasievoll, verantwortlich und innovativ mit den Herausforderungen und Einschränkungen umzugehen. Es gelingt weiterhin Begegnung und Unterstützung zu organisieren – in vielen verschiedenen Formen. Einiges wird unverändert fortgeführt, andere Gruppen und Kurse treffen sich online und viele neue Aktivitäten kommen hinzu. Gesprächsangebote über den Gartenzaun, beim Spaziergang, online oder am Telefon werden von vielen Nachbarschaftshäusern ausgebaut und von Nachbar*innen gestaltet. Und der Blick vieler geht gerade auch zu den Menschen in den Nachbarschaften, die ganz besonders unter den Einschränkungen leiden.

Und auch klassische soziale Hilfsangebote der Sozialarbeit wie Beratung und Familienbildung sind Teil von Nachbarschaftsarbeit und wurden auch dann fortgeführt, als andere Stellen ihre Arbeit nicht fortsetzen konnten.

Nachbarschaftshäuser und ihre Mitarbeiter*innen bilden die professionelle Infrastruktur der Nachbarschaftsarbeit, die alltäglich sozialen Zusammenhalt ermöglicht und damit eine relevante Grundlage für unser System bildet.

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Portrait von Barbara Rehbehn

Barbara Rehbehn

Barbara Rehbehn ist Geschäftsführerin beim Verband für sozial-kulturelle Arbeit VskA.

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